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KUNST
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Otto Mauer und die Moderne
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Fast nichts war los mit den Galerien 1945 in Wien. Friedrich Welz musste die Galerie Würthle, die er im Krieg gekauft hatte, zurückgeben. Vita Künstler setzte im Sommer 1945 ihre Ausstellungen in der Neuen Galerie fort, die sie 1943 und 1944 ausgesetzt hatte. Dabei wird allgemein behauptet, sie hätte weder ausgestellt noch gehandelt, nachdem ihr Otto Kallir 1938 seine Kunstschätze übergeben hatte und in die USA emigriert war.
Na jedenfalls gab es nur zwei namhafte Galerien in Wien, die die modernste Malerei jener Jahre (die Abstrakte in Frankreich und in den USA) vor 1954 gar nicht präsentieren konnten. Auch in der Galerie von Kallir/Künstler gab es keine abstrakten Bilder zu bestaunen, die modernsten Maler in Österreich waren Klimt, Schiele, Kokoschka und Boeckl. Wie gelangte also die Abstrakte, die auch im Ständestaat weder Öffentlichkeit noch Mäzene fand, so rasch nach Österreich?
Das ist die Geschichte von Otto Mauer, eines Religionslehrers, Dompredigers und Seelsorgers für Künstler und Studenten, der sich vor 1950 nur um Schiele, Kubin und Boeckl gekümmert hatte. Dann eignete er sich um 1950 die neuesten Ideen französischer und amerikanischer Kunstkritiker an und verband deren haltlose Definitionen mit katholischer Theologie.
Noch 1933 schickte Werner Berg sein Altarbild „Die Heilige Familie“ zum Katholikentag nach Wien. Er war sicher, dass dieses Bild in einer Ausstellung religiöser Kunst gezeigt werden würde. Doch eine Experten-Jury lehnte das expressionistische Bild mit dem kleinen, weißen Christus, der schützend vor Josef und Maria steht, als modernistisch ab.
1950 war alles ganz anders. Otto Mauer hatte von der Hierarchie grünes Licht bekommen, die Abstrakte Malerei durch katholische Religion zu rechtfertigen. Er präsentierte die abstrakten, für Österreich neuen Künstler im Rahmen einer Idee, die er 1941 erstmals geäußert hatte: „Der Künstler hat es mit dem Teufel zu tun, der eine als Besessener, der andere als Exorzist.“ (1)
Man darf ihm zugute halten, dass das nicht die Nazi – Auffassung von Kunst war, aber es war trotzdem falsch. Seine schräge Alternative, die im Grunde nichts Drittes kannte, gefiel den meisten seiner Schützlinge, weil sie die eben noch so brave Malerei plötzlich als große Kühnheit präsentierte. So gelangte ausgerechnet durch einen Katholiken in die Kunst etwas vom alten Größenwahn hinein, der überall sonst in der Nachkriegzeit verpönt war.
1954 übernahm Mauer die Galerie von Kallir und nannte sie „Sankt Stephan“. Damals war der Kunstmarkt in Österreich so trostlos, dass weder die Abstrakten noch die Gegenständlichen verkauft wurden. Der junge Arnulf Rainer überwand seine surrealistische Phase, indem er – angeblich – Hundert seiner Werke zerstörte, nur um für die „absolute Malerei“ frei zu sein. Otto Mauer eröffnete jede Vorstellung mit einer originellen Rede, trotzdem gab es damals keine Käufer und keine Würdigung für moderne Malerei in Österreich.
1958 wurde Ernst Fuchs bei der Gestaltung von Altarbildern in der Pfarrkirche von Hetzendorf dem von oben her empfohlenen Arnulf Rainer vorgezogen. Der Pfarrer und seine Gemeinde hatten die surrealistische Kunst von Fuchs den Übermalungen von Rainer vorgezogen. In diesem Fall hatte nicht die Spitze der Kirche, sondern die Basis über österreichische Nachkriegsmalerei entschieden. Der Film „Abbilder der Wirklichkeit“ (Fertigstellung Februar 2010) zeigt Ernst Fuchs bei der Präsentation von Briefmarken seiner Altarbilder in besagter Kirche. Die katholische Kirche, die sich in der Regel für Novitäten nicht interessiert, hat sich der neuen Malerei in Österreich, egal ob absolut abstrakt oder surrealistisch gegenständlich, angenommen.
Die linke Reichshälfte überließ den Bürgerlichen und der Kirche weitgehend die Moderne Kunst. Sie verwirklichte zum Teil soziale Gerechtigkeit im Land, verzichtete aber darauf, ihr soziales Programm durch künstlerischen Humanismus zu erklären. ««
Martin Luksan
(1)
Günther Nenning, Was Not tat, In: Die Presse. Spectrum Seite V, 11.Sept. 1999 (Siehe auch: Otto Mauer, These zur Kunst, 1941) c
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Aberwitziges aus der Kunstwelt
Der Sammler Wilfried Daim
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Wilfried Daim, geboren 1923 in Wien, fand schon mit 16 Jahren zum österreichischen Widerstand, war Kriegsteilnehmer, verlor ein Bein, und studierte nach 1945 Psychologie und Anthropologie. Er schrieb das viel zitierte Buch „Der Mann der Hitler die Ideen gab“, das 1958 in München erschien und in Österreich erst 20 Jahre später zur Kenntnis genommen wurde.
Er wurde ein bekannter Publizist, der ungefähr 20 Bücher veröffentlichte und eine Zeitlang als Psychotherapeut arbeitete. Ein anderes Ingenium als das intellektuelle entwickelte Daim 1970 mit dem Aufbau seiner Kunstsammlung. Michael Papst, der Sohn von G.W. Papst, verkaufte ihm 14 Holzschnitte von Otto Rudolf Schatz, einem legendären Illustrator der österreichischen Sozialdemokratie. Thema „Der soziale Kampf“.
Otto Kallir, der österreichisch-amerikanische Kunsthändler, der mit Picasso und Grandma Moses steinreich geworden war, besuchte Daim in Wien 1970, nachdem er den „Mann der Hitler die Ideen gab“ gelesen hatte. Der alte und der junge Sammler verstanden sich so gut, dass eine Starthilfe für die Sammlung Daim eine beschlossene Sache war: „Ich habe Bilder von Schatz hier und in den USA, aber ich will mich damit nicht länger beschäftigen. Machen Sie den Schatz!“ Zuletzt die Worte: „Es gibt eine Frau, die hat mehr Bilder von Schatz als ich. Geben Sie ihr mehr, als sie in Amerika dafür bekommen würde, aber weniger als Sie hier in Wien dafür bezahlen müssten.“
Diese Frau war Sascha Kronburg-Roden, die Gattin des Kunstkritikers Max Roden, der mit einem Koffer voll kleinerSchatz-Bilder in die USA geflüchtet war. Diese und andere Werke erwarb Daim für wenig Geld von emigrierten, jüdischen Händlern, Kritikern und Künstlern, die den wahren Wert einiger verschmähter österreichischer Maler zwar ahnten, aber in der Kunstöffentlichkeit nicht durchsetzen wollten.
Daim kaufte nun – fast – alle Ölbilder von O.R. Schatz, die dieser kurz vor seinem Tod (1961) an Freunde und Verwandte zu verschenken versucht hatte. Er kaufte sie von der letzten Lebensgefährtin von Schatz und von Otto Kallir, dessen Wiener Depot sich in der „Galerie Nächst Sankt Stephan“ befand. Er fuhr mit seinem Sohn Falko dort vor und räumte ein Zimmer voll mit gegenständlicher Malerei. Diese Galerie des Monsignore Otto Mauer (er war 1973 verstorben) war – und ist - eine Hochburg der Abstrakten Malerei. Dennoch lagerten dort 1975 immer noch die Neuen Sachlichen, die Expressionisten, die Humanisten, mit denen die „fortschrittliche“ Katholische Kirche nichts anfangen konnte. Das waren die „Schätze“ von Otto Kallir in Wien, die er einst in ganz Europa bekannt und teuer hatte machen wollen.
Nun übernahm Daim die Rolle des Midas. Er verkaufte als erstes „Die Schausteller“ von O.R. Schatz, den die Sozialdemokraten nach dem Krieg als Lehrer einer Malklasse „verhindert“ hatten, an die Galerie im Belvedere. Dann die „Mondfrauen“ vom selben Maler für 335 000 Euro an einen griechischen Reeder. Der Kulturstadtrat von Wien gab Daim eine Auszeichnung für seine Publizistik – ungefähr zur gleichen Zeit, als Arnulf Rainer in Baden ein eigenes Museum erhielt. Rainer „schenkte“ dem Land Niederösterreich das Gros seiner übrig gebliebenen Bilder für eine jährliche Leibrente von 60.000,- Euro, für die Dauer von zehn Jahren. Rainer ist in Geschäftsdingen ein wahrer Realist, er könnte derzeit kein Bild für 300 000 Euro verkaufen. ««
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