Heinz-Christian Strache schwingt ein Kreuz nach dem Muster des Marco d’Aviano-Denkmals vor der Kapuzinergruft. HC Strache gibt die Losung aus: „Abendland in Christenhand“. „HaZeh“, wie seine Fans ihn kurz und bündig nennen, präsentiert sich als der letzte Recke, der sich den Gefahren aus dem Osten: der Ausländerflut, der Asylantenkriminalität, dem Islamistenterror mutig entgegen stellt. Wo immer er auftritt, entfesselt er frenetische Begeisterung und hysterische Gefühlsausbrüche.
Unter sich als fortschrittlich, liberal und weltoffen verstehenden Menschen lösen diese Auftritte immer wieder Verwirrung, Bestürzung und Verständnislosigkeit aus und sie suchen nach Erklärungen hierfür. Diese Erklärungen weisen im Großen und Ganzen in zwei Richtungen: Die eine meint mit Blick auf die Disco-Jugend, die das blaue Idol umschwärmt, eine Bestätigung der Volksweisheit zu sehen, dass der Esel auf das Eis tanzen ginge, wenn es ihm zu gut gehe – soll in diesem Falle heißen, dass eine wohlstandsgesättigte Generation den Nervenkitzel des politischen Abenteurertums suche. Die andere Erklärung entspringt der moralischen Selbstgerechtigkeit und weist mit theatralischer Entrüstung darauf hin, dass der blaue Recke und seine Mitstreiter eine latente faschistoide Grundeinstellung der Österreicherinnen und Österreicher aufrührten und salonfähig machten.
Weder das eine noch das andere trifft zu.
Unter jungen Menschen ist das Gefühl der Perspektivlosigkeit und der Frustration weit verbreitet. Ihre Wirklichkeit wird beeinflusst von einer zwar nicht unbegründeten, aber von verantwortungslosen Massenmedien aufgeputschten Stimmung der Unsicherheit und Angst. In einer solchen Atmosphäre entwickeln sich zwei massenpsychologische Phänomene: Das eine ist das so genannte kleinbürgerliche Ressentiment der tatsächlich oder vermeintlich Zu-Kurz-Gekommenen mit heftigen Wünschen nach Rache und Vergeltung gegenüber den Verursachern ihrer Lage, als da sind kriminelle Ausländer, unfähige Politiker, korrupte Abzocker und machtgeile Bürokraten, vornehmlich jene in Brüssel. Das andere Phänomen wird mit dem Wort Goldene Phantasie bezeichnet und drückt sich aus in der Sehnsucht nach einer heilen Welt und in der Überzeugung, dass es jemanden geben müsse, der den Weg dorthin kennt.
In dieser Situation schlägt die Stunde des „Helden“. Der Held ist ein Ergebnis der Psychologie der Rache. Er rächt sich für erlittene Verletzungen und Verwundungen. Ja mehr noch – im Vollzug der Rache erweckt er den Anschein, diese Verletzungen und Verwundungen ungeschehen machen zu können. Der Held ist ein Heils-Bringer. Als solcher stachelt er Ressentiments und Wunschphantasien an. Mit seinem großsprecherischen Auftreten macht sich der „Held“ beziehungsweise Heinz-Christian Strache zur Identifikationsfigur für Unzufriedene und „kleine Leute“, deren Lebensumstände es nicht erlauben, dass sie selber großsprecherisch auftreten und das Unerhörte aussprechen.
Die „kleinen Leute“ erkennen im „Helden“ HC Strache einen von ihnen. Der „heldische“ Politiker hat in der Regel eine von Traditionsverhaftetheit, Männlichkeitsidealen und Härte geprägte Erziehung durchlaufen, die es ihm als Heranwachsenden verwehrt hat, zu einer eigenständigen Persönlichkeit zu reifen. In der nie aufgelösten Spannung zwischen Autoritätshörigkeit und Rebellion entwickelt er sein hysterisches Persönlichkeitsbild: Der „heldische“ Politiker weicht der wirklichen Welt aus und schafft sich eine Scheinwelt mit Scheinbedrohungen. Diese kommen dann in Gestalt von Sozialschmarotzern, als Verschwörungen der „Ostküste“, als Asylanten und besonders seit dem Jahr 2001 von unter dem Generalverdacht des Terrorismus stehenden Muslimen daher. Gegen diese Scheinwelt wendet der „heldische“ Politiker sein rebellisches Freiheitsstreben, das er in der großen Szene von Bierzelten, Massenkundgebungen und Parteitagen wirkungsvoll zur Schau stellt. Dort präsentiert er sich vor einem gläubig hingebungsvollen Publikum als Kämpfer gegen das Böse und als Rächer der Enterbten. Dabei ist der „heldische“ Politiker jedoch nicht nur ein politischer Schauspieler. In seiner narzisstischen Verblendung hält er seine Scheinwelt für die Wirklichkeit. Und darin liegt seine Gefährlichkeit.
Helden leben gefährlich. Die einmal angenommene Rolle des Strahlenden Helden zwingt den Politiker in eine unausweichliche Dynamik. Der Strahlende Held muss siegen und siegen und siegen. Denn eine Niederlage nähme ihm seinen Nimbus und machte ihn zu dem, was er ist – zu einem Menschen, der hoch gepokert und verloren hat. Hat er Glück, kann er die in der Politik unausweichliche Niederlage noch zum tragischen Scheitern hochstilisieren und die Szene mit Anstand verlassen. Sollte er gleichsam unter Blitz und Donner gen Himmel fahren wie Straches geistiger Ziehvater Jörg Haider, kann ihm der „unsterbliche Ruhm“ durch Gedenkstätten und Museen leicht eingerichtet werden. Hat er Pech, droht ihm ein Abgang unter Spott und Hohn. Hier liegt die Gefährlichkeit des narzissmusgesteuerten Strahlenden Helden. Er kann eine Niederlage nicht als Folge eigener Fehler oder der Überlegenheit der politischen Gegner hinnehmen, sondern er muss sie vor sich selbst und seinen Anhängern als Ergebnis der Machenschaften schurkischer und ehrloser Feinde seiner selbst und der Gemeinschaft darstellen. Er erklärt damit seine Widersacher zu Inkarnationen des Bösen. Das Böse kann nicht politisch zurückgedrängt werden, man muss es ausmerzen. In letzter Konsequenz muss der „heldische“ Politiker den Weg zur Diktatur beschreiten, um vor sich selbst und seinen Anhängern unbesiegbar zu bleiben.
Welchen Weg wird HC Strache gehen? ««
Anton Szanya
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