Es überkommt einen ein eigenartiges Gefühl, wenn man mit jemandem vor knapp zwei Wochen beisammen gewesen ist, anlässlich des Begräbnisses von Alt-Landeshauptmann Leopold Wagner und dann meistens ein Gebet gesprochen wird, für den nächsten, der aus unserer Mitte scheidet. Und wenn man dann diese Todesnachricht erhält, dann veranlasst einen das zu sehr intensivem Nachdenken, weil es natürlich die Frage stellt wie relativ das alles ist, was uns so täglich wichtig ist oder wichtig erscheint. Und das aller Wichtigste in so einer Situation ist die Anteilnahme, das Mitgefühl für die Familie und die engsten Anverwandten.
Aber die große Anwesenheit heute und in den letzten Tagen zeigt, dass Jörg Haider nicht nur seiner Familie viel bedeutet hat, sondern dass er Menschen bewegt hat – bewegt, manchmal auch in unterschiedlicher Art und Weise. Es hat diejenigen gegeben und es gibt sie, die zu seinen engsten Vertrauten, Freunden, Weggefährten und Anhängern gehört haben. Es gibt solche, bei denen er Widerspruch hervorgerufen hat, die zu seinen Widersachern gehören. Und beides meist in einer sehr, sehr starken Emotion, weil er jemand war, der niemanden kalt gelassen hat – im Positiven wie im Negativen. Und die Frage, die sich stellt, ist, wie soll man mit dem Leben, mit dem Wirken eines Menschen wie Jörg Haider umgehen? Ich glaube, er hat ein sehr feines Gespür gehabt für das, was sich ändern muss. Er hat Kritik an Verhältnissen geübt, die einer Veränderung bedürfen. Und insofern war er jemand, der sich von anderen herausgehoben hat, weil er diese Sensibilität besessen hat. Das heißt nicht, dass alle Antworten, die er auf die Veränderung gegeben hat, auch allgemein anerkannt worden wären, denn es gehört nun einmal zum Wesen einer entwickelten Demokratie, dass es auf Missstände, auf zu Veränderndes unterschiedliche politische Antworten geben kann und geben muss. Und Teil unseres Gemeinwesen ist es, diese unterschiedlichen Auffassungen in einer vernünftigen und zivilisierten Art und Weise auszutragen, so dass am Ende das Beste herauskommt.
Sehr oft wurde der Fehler gemacht, dass schon die Kritik von Jörg Haider an den Verhältnissen kritisiert wurde. Das habe ich immer als einen großen Fehler empfunden, weil ich bin der Meinung, Kritik an bestehenden Verhältnissen ist das Wichtige und darüber zu diskutieren, wie man es verändern soll, das ist das Salz der Demokratie. Wir alle – mit menschlichen Schwächen ausgestattet – machen manchmal den Fehler, dass wir von anderen etwas verlangen, was wir selbst nicht im Stande sind im selben Ausmaß zu geben. Und dieser Fehler ist wahrscheinlich der menschlichste von allen und er geht an niemanden spurlos vorbei. Viele haben an Jörg Haider Ansprüche gestellt, die sie selbst nicht im Stande waren, zu erfüllen, und auch er hat an andere Menschen Ansprüche gestellt, die auch er nicht immer im Stande war, zu erfüllen. Und daher ist gerade sein Tod – sein Ableben – eine Stunde, wo man darüber nachdenken sollte, ob das vielleicht einzig tröstliche am Tod darin besteht, das zu versöhnen, was im Leben nicht versöhnbar war und dass man die eigene Größe aufbringen sollte - bei Beibehaltung aller politischen Meinungsverschiedenheiten - anzuerkennen, dass es sich um einen Mann gehandelt hat, der außergewöhnlich war, in seinem Positiven wie in dem, was viele abgelehnt haben, jemand, der eine enorme Energie gehabt hat und im Stande war, viele Menschen zu fesseln, zu begeistern, aber auch deren Widerspruch hervorzurufen. Und die vielen Mensche, die Anteil nehmen, sind ein lebender Beweis dafür, dass das nicht spurlos vorüber gegangen ist.
Ich habe mit dem Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider immer versucht, ein Konstruktives Verhältnis zu haben, und wir haben ein paar Dinge gemeinsam für Österreich und für Kärnten umgesetzt. Und ich zolle ihm Respekt, ich zolle ihm Anerkennung über alle politischen Meinungsverschiedenheiten hinweg, weil ich der Auffassung bin, dass er vom Willen getragen war das Beste für seine Heimat, das Beste für Kärnten zu machen, wie das im übrigen alle tun, die im öffentlichen Leben stehen und Tag und Nacht bemüht sind für die Menschen in unserem Land das Beste zu erreichen.
Es ist traurig, wenn jemand viel zu früh aus dem Leben gerissen wird, von dem wir wissen, dass er noch vieles vor hatte – von dem wir wissen, dass er noch Vieles schaffen und verändern wollte. Gerade wenn es jemand war, der so viele Auf und Nieder in seinem Leben erlebt hat und trotzdem immer wieder mit großer Kraft zurückgekommen ist. Ja, am heutigen Tag sollte man sagen über alle politischen Lager und Unterschiedlichkeiten hinweg: Respekt und Anerkennung.
Jörg Haider: Du hast vieles gewollt, nicht alles aber sehr vieles erreicht. Und viele, viele Menschen danken es Dir. Und viele werden vielleicht die Größe aufbringen, Deinen Tod zum Anlass zu nehmen, sich mit Dir als Mensch zu versöhnen.
Jörg Haider, Landeshauptmann von Kärnten, mein Kollege – Ruhe in Frieden.
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Gusenbauer bei
Trauerfeier für J. Haider
am Schluss der Rede. |
KOMMENTAR
Jörg Haider hat also die Menschen im Negativen nicht kalt gelassen. Mit dieser Fähigkeit reichte er aber bitte nicht an Hitler heran. Kann man trotzdem sagen: Haider war außergewöhnlich - im Positiven wie im Negativen? Alfred Gusenbauer will das nicht entscheiden, ob eher der Begeisterte oder eher der Empörte im Fall Haider den besseren Stand hat. Das ist für Gusenbauer eine mickrige Frage, die sich mickrige Menschen ohne Herausgehobenheit und Größe leisten. Er, Gusenbauer, steht schließlich am Tor zum Jenseits, durch das Haider eben hindurchging, und spricht ein Wort zu Haiders Gegnern und Feinden, die noch im Irdischen verweilen. Er bittet die noch Lebenden um die Größe, sich mit einem Toten zu versöhnen. Dazu fordern auch Medizinmänner in Afrika auf, wobei noch kein Fall bekannt ist, wo diese Versöhnung nachweislich zustande kam. Wenn Gusenbauer an Haider denkt, kann er sich ein kleines Selbstlob nicht verkneifen. Tag und Nacht waren er und Haider nur für andere bemüht. Außerdem haben sie gemeinsam für Österreich und für Kärnten ein paar Dinge umgesetzt. - - Gusenbauers Rede schließt kryptisch: Jörg Haider, du hast Vieles gewollt, aber nicht Alles erreicht. - Worunter fallen hier die zweisprachigen Tafeln? Sind sie das, was Haider gewollt, aber nicht erreicht hat - oder sind sie das, was Haider nie wollte und was letztlich herauskam? So ein Politiker entwickelt tatsächlich das Geschick, mit wohl gesetzten Worten beinahe nichts zu sagen.
Martin Luksan
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