Sechzehn Stunden hat, laut „Die Presse“, ein Arbeitstag für Othmar Karas in Straßburg. Karas ist der Mann, der morgens im Büro Flüge verschiebt und Sitzungen ansetzt. Dabei helfen ihm zwei Mitarbeiter (er hat insgesamt sieben, aber die sind nicht alle in Straßburg stationiert). Ein Bildschirm in seinem Büro überträgt den Beginn der Plenarsitzung, doch er als Chef ist in Gedanken woanders. Wie ist unsere Position zu den Urheberrechten?, fragt er jemanden am Telefon. Dann kommt das „profil“ und will wissen, wer der nächste Kommissionspräsident sein wird. Auf dem Weg zum großen Saal bringt Karas ein paar seiner 55 geplanten Anrufe unter. Dabei verirrt er sich in dem Parlamentsgebäude. Schließlich sitzt er im Saal, hört dem Hauptreferenten kaum zu, sondern steht immer wieder auf und sucht Kontakt mit österreichischen Abgeordneten. Die Abstimmung ist geheim. Man greift mit der Hand in den schwarzen Abstimmungskasten und drückt darin die rote, die grüne oder die weiße Taste. Die meisten Abgeordneten (immerhin 736 Leute) haben zum Gros der Punkte keine eigene Meinung, darum wird ihnen das Ja, das Nein oder die Enthaltung von einem Heinzelmann vorgegeben. Jede Gruppe in Straßburg hat einen solchen Mann. Zwischen den Abstimmungen bestimmt der österreichische Heinzelmann mit einem Pressehelfer, welche Nachrichten im Zentrum stehen sollen. Um 14 Uhr 30 lässt er sich ein Ei und eine Kiwi bringen. Im Saal S 1.4 wirkt jetzt die Europäische Volkspartei und Karas hält dort eine Rede, die er sich vorher auf einem Zettel notierte. Im Plenarsaal wird über die Erweiterungspolitik diskutiert, doch für einen Fadenzieher ist eine Diskussion kaum interessant. Am späten Nachmittag ist das Ganze aus und Karas fährt mit dem Fahrtendienst des Parlaments (lauter dunkelblaue Renault-Limousinen) zu einem Restaurant, wo er und andere Vertreter der EVP zu Abend essen. Nach diesem Essen tritt das Unwahrscheinliche ein – Karas fährt noch einmal ins Parlament und beantwortet dort um 23 Uhr einige von Hunderten von E Mails, die sich in den letzten Wochen angesammelt haben.
Resumee eines Berichtes in „Die Presse“ vom 29.05.2009
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