Eine Ordnung, in der politische Parteien (so wichtig sie sind) mit Subvention, Mitgliedsbeitrag und Spende gar nicht auskommen, sodass sie eine versteckte, illegale Finanzierung benötigen, ist im Konnex mit rätselhaft scheinenden Geldverlusten zu bedenken. Der Bawag-Skandal, 2005 zutage tretend, erschreckte die Öffentlichkeit vor allem deshalb, weil in einer völlig durchrationalisierten Welt riesige Geldbeträge durch Naturgewalt – angeblich – verschwunden waren. Hier war nicht von Delikt die Rede. Es ging die längste Zeit nur um Bankmanager und Spielernaturen, die angeblich Geld verzockt hatten, weil mit Auslandsverhältnissen unvertraut. Erst sehr spät, 2012, vielleicht ein Jahr vorher, gingen die Medien über ihre ursprüngliche Botschaft hinaus und das Wort „Diebstahl“ war auf einmal da. ZB. W. Fellner: „Anzeichen sprechen dafür, dass Wolfgang Flöttl die verschwundenen Bawag–Milliarden auf geheimen Konten versteckt hat“ (Österreich; 20.03.12)
Es ist bekannt, dass durch die Buchhaltung der Gewinn einer Firma für geringer ausgegeben werden kann, als er ist. Das Problem ist dann die Kennzeichnung der auf der Habenseite bereits verzeichneten Werte als Ausgaben. In einem Film über ein „Casino“ der Mafia (Film von M. Scorsese) kann dieses Beiseiteschaffen von Geld besonders anschaulich gezeigt werden. Der Gehilfe des Paten stopft das Geld von den Spieltischen, das im Tresorraum gerade gezählt wird, ohne die geringste Beachtung durch die Geldzähler in eine Tasche und trägt es fort. In einer normalen Firma ist das erwirtschaftete Geld vorher (numerisch) bekannt, ehe es durch Naturgewalt verschwindet.
Die Bawag tätigte, bevor ihr Vorstand 2006 wechselte, Finanz-Zockerei in großem Ausmaß, angeblich weil sie an ÖGB und SPÖ so gering verzinste Kredite geben musste. Sie glich damit ein Manko aus. Wie auch immer. Sie verlor nicht nur viel Geld, sie gewann auch viel Geld. Das verlorene Geld war vielleicht größtenteils das vorher gewonnene. Flöttl, der Broker, steht nunmehr unter dem Verdacht, das Geld jahrelang beiseite geschafft zu haben, wobei er eng mit Elsner, dem Bankchef, kooperierte, der seinerseits vom Vorstand kontrolliert wurde. Ist es denkbar, dass ein solches, mehrjähriges Tun ohne den kontrollierten Rückfluss der Gelder, wohin auch immer, geschehen ist? Nein. Es ist undenkbar, dass nur Flöttl schlau ist und alle übrigen Beteiligten schwachsinnige Personen sind. Der machtbewusst–kecke Elsner ließ sich vom soften Flöttl keine unerklärbaren Fehlschläge und rätselhaft verschwundenen Gewinne einreden.
Als die Blase platzte, legten die Gläubiger der Broker Firma „Refco“ die Hand auf Flöttls Vermögen in den USA. In Österreich sperrte man das Vermögen von Elsner. In all der Aufregung um Elsner dort und Elsner da, erfuhren wir fast nichts über den Erfolg der deutschen Finanzfahndung nach deutschen Steuersündern in Vaduz. Man hörte nur, dass der österreichische Finanzminister über die geheimdienstlichen Methoden seines deutschen Amtskollegen empört war. Man erfuhr nichts über die Bankguthaben von Bawag Vorständlern, die auffällig angewachsen waren und deren Daten vom deutschen Fiskus der Behörde in Österreich übermittelt wurden. Wo blieben die österreichischen Medien? Durften oder konnten sie über diese Leute und ihr schönes Geld nicht näher berichten?
Durch den Vergleich der Bawag mit den „Refco“ Gläubigern (1,1 Milliarde Euro) wurde die nähere Untersuchung – durch ein US Gericht – beendet. Alle Beteiligten kamen glimpflich davon (Nicht ganz, wenn man an Elsner und - an den Steuerzahler denkt. Letzterer ist freilich nirgendwo beteiligt, er wird nur zuletzt herbeigezogen.) Die Leute, die durch „Refco“ reich werden wollten, die Bawag, die durch „Refco“ Geld verdiente und zuletzt ein Drittel der Firma besaß, Flöttl, der wieder Zugriff auf sein Vermögen hatte, und ÖGB und SPÖ, denen ein Feuertest der Bawag rechtzeitig vor den Wahlen erspart blieb. Wie gesagt, Elsner blieb übrig, er kämpft jetzt um das Erraffte. Sieht sich als Sündenbock in einem Milieu von Tätern. Doch – wie vor allem Fellner richtig schreibt – er nennt die andern Täter nicht, er präzisiert nicht einmal die Täterschaft von Flöttl, dem er im Zuge der Kooperation oft etwas anwies.
Der Vergleich in den USA war übrigens nur durch eine Selbstbelastung der Bawag möglich. Nur weil die Bank selbst dem amerikanischen Gericht die nötigen Unterlagen lieferte, war die unabweisbare Anklage der „Refco“ Geschädigten möglich. Wie man hört, verlangte die damalige, österreichische Regierung (W. Schüssel) von der Bawag diesen Schritt. Das ist freilich überraschend, denn warum wollte sogar Wolfgang Schüssel, der in ganz Österreich SP–Einfluss zu tilgen suchte, auf den langen und schrecklichen Prozess, den Dauerskandal, verzichten?
Man traut sich fast nicht die obige Frage direkt zu beantworten. Auch die Gegenpartei verzichtet offensichtlich gut und gern, das wirtschaftliche System großer Parteien vollständig und öffentlich zu bedenken. Für die versteckte Finanzierung einer Partei wird man das Geld nicht direkt an die Partei oder ihre Vorfeldorganisation überweisen, sondern zB. eine Methode a la Telecom anwenden. Die Leistung einer Kleinfirma wird durch eine Großfirma, die Parteileute kontrollieren, überhöht bezahlt. Es bleibt dann der größere Teil der Summe bei dem superteuren Sonderleister nicht liegen, sondern wandert weiter. Die Methode a la Bawag kann über Einzelpersonen, die im Ausland Geld aufsammeln, aber auch über einen eigens dafür geschaffenen Betrieb oder Verein erfolgen, der neu und unbekannt ist und vielleicht nur kurz besteht. Er sammelt das abgezweigte Geld auf und schickt es als Unterstützung oder als Honorar genau dorthin, wo es gebraucht wird. Es ist dann sogar denkbar, dass solche, die Geld mit Recht brauchen, dieses nicht mehr vom Staat erbetteln.
Das Gerede vom Ende der Parteien, betrifft offenbar nur die Ideologien. Als wirtschaftliche Mächte sind größere Parteien noch sehr lebendig. Sie bringen sich zum Beispiel in eine Regierung und sofort fließt Geld auf verschiedenen Wegen in ihre Kassen. Während sie regieren, setzen sie sich im Staatsapparat fest. Es gibt zwar einzelne Politiker, die nur ihre eigenen Taschen füllen, und es gibt Seilschaften, die nur durch Korruption Geld scheffeln, doch natürlich ist die Partei stärker als der Einzelne und sie besteht länger als eine Seilschaft. Was derzeit in Österreich ziemlich irritiert, ist, dass die Parteien höher subventioniert sind als in Deutschland und doch diese versteckte Finanzierung dringend zu brauchen scheinen.
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