DAS IST DIE HOMEPAGE VON MARTIN LUKSAN UND DES VEREINS FÜR RHETORIK UND BILD

 
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Große Parteien und großes Geld


Einst war der Kaiser der Souverän. Das Ganze hieß zwar „konstitutionelle Monarchie“, doch das Gros der Staatsgewalt lag beim Kaiser, unabhängig davon, ob der Reichsrat die Gesetze beriet und beschloss und die Finanzgebarung des Staates prüfte. Bei dieser Prüfung war der Reichsrat dem Kaiser verantwortlich. Außerdem hatte der Kaiser das Kaiser Franz Joseph bei der Grundsteinlegung für das Technische Museum, 1900Einspruchsrecht bei allen Angelegenheiten, auch bei den Finanzen. Bei diesem Recht war er niemandem verantwortlich. Er war eben Souverän. In die Zeit nach dem „Ausgleich“ 1867 wurden die österreichischen Massenparteien gegründet. Diese drängten die agrarischen Aristokraten und die liberalen Großbürger – die damals herrschenden Eliten - scheinbar nur ein wenig zurück und konnten schon im Reichsrat ihr politisches Spiel entfalten. In Wahrheit kämpften sie gegen den verdeckten Absolutismus der Doppelmonarchie an und entwickelten dabei hierarchisch – zentralistische Organisation und weltanschauliche Mentalität.

Bei Lueger wird mit Recht auf seinen groben (und üblen) Antisemitismus hingewiesen, doch bleibt meist unerwähnt, dass dieser katholische Kleinbürger-Führer seinen Kampf gegen das durchdringende, monarchische System unbedingt vertuschen musste. Auch aus diesem Grund vergrößerte er seinen erklärten Feind, den „europäischen Finanzjuden“, zu einer diabolischen Macht und schrieb ihm Wirkungen zu, die zur monarchischen Machtausübung gehörten. Das Untenhalten der Bevölkerung durch fiskalische Ausbeutung, Subventionierung, Verschwendung und juristische Tricks. Der Kaiser und seine klügsten Beamten wussten, wie weit sie selbst und nicht die liberalen Juden gemeint waren, und behinderten Luegers Aufstieg so lang wie möglich.

Man muss ferner die Rückständigkeit der Doppelmonarchie gegenüber Westeuropa bedenken. Zum Beispiel die Unterschiede des österreichischen Kaisers zum englischen Lueger bei einem Rathausfest, 1903König. Der Kaiser war der Vertreter des Staates nach außen und nach innen, er investierte in die Wirtschaft, unterschrieb alle großen Verträge, entschied über Krieg und Frieden, war der oberste Kriegsherr. Er hatte die Verfassung als „Gnadenakt“ erlassen und konnte sie jederzeit widerrufen. Das ganze parlamentarische System in Österreich war nicht von unten erkämpft, sondern von oben dekretiert. Die österreichischen Massenparteien entfalteten sich ungefähr in dem Maße, in dem die Monarchie aufhörte, das Gros der Bevölkerung von den Wahlen fern zu halten.

Drei große Parteien hatten in Österreich bis 1910 ihre Organisationen ausgebaut. Jetzt konnten sie straff geführt werden und dem Obrigkeitsstaat permanent kleine Zugeständnisse abtrotzen. Sie boten ihren Mitgliedern nicht bloß eine politische Vertretung, sondern auch eine Schutzherrschaft und eine eigene Kultur. Die Christlichsozialen hatten sich in Wien und auf dem Land ein Netz von Genossenschafts- und Kassenorganisationen geschaffen, auch bäuerliche Verbände gehörten dazu. Die Sozialdemokraten waren schwach bei Kasse, aber schon international vernetzt. Und die Deutsch-Nationalen waren wirtschaftlich und bildungsmäßig so stark, dass ihnen das Herausbrechen der rabiaten „Schönerianer“ keinen Schaden zufügte.

Dann war der Monarch passe und die großen Parteien in Österreich boten Weltanschauung im Sinne einer kohärenten Sicht des ganzen Lebens sowie der Einbettung des ganzen Lebens in ein kosmologisches Bild. Das ging über Interessensvertretung weit hinaus. Die einen wollten der politische Arm der Großen Kirche sein. Die andern arbeiteten auf Großdeutschland hin. Die dritten verbesserten die Lebensbedingungen der Bevölkerung vor dem Hintergrund eines unklaren „neuen Menschen“. Wenn die damalige SDAP einen Gesangsverein, einen Turnverein, einen Begräbnisverein, eine Kunststelle usw. neben ihrer politischen Aktivität organisierte, so entstand eine vielfach gewünschte und dennoch zweifelhafte Kultur, in der es unmöglich war, die Mentalität einer anderen Parteimitgliedschaft zu verstehen. Diese drei „Lager“ führten bekanntlich zu zwei (!) Bürgerkriegen innerhalb eines einzigen Jahres (1934), wobei in erster Linie die Anmaßung der Christlichsozialen, sich selbst als den ganzen Staat zu sehen, diese Kriege verursachte.

Das Etat der Doppelmonarchie wurde nicht von Ausschüssen des Parlaments geprüft, sondern von kaiserlichen Beamten. Der Kaiser prüfte sich selbst. In der Öffentlichkeit der bürgerlichen Zeitungen galt er als sparsam, sein Hof galt als verschwenderisch, und die tatsächlichen Finanzverhältnisse waren nicht bekannt. Nur so ist übrigens die Legende zu verstehen, dass die Verbauung des Glacis in Wien aus der Privatschatulle des Kaisers bezahlt wurde. Im Unterschied zum Souverän hatte eine politische Partei nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, eine Kassa zu füllen oder ein Finanzierungsproblem zu lösen. In der Ersten Republik mussten sich die Parteien aus Mitgliedsbeiträgen und geheimen Spenden erhalten, wobei es die Aufgabe einzelner Funktionäre war, bei nahe stehenden Personen, Firmen, Vereinen, aber auch von ausländischen Regierungen größere Geldsummen gegen meist unkonkrete Versprechungen zu lukrieren. Von dieser wenig würdevollen Tätigkeit war die Partei in dem Moment befreit, wo sie in der Regierung war und ihre Leute im Staatsapparat unterbringen konnte. Aus diesem Grund ist es falsch, die Finanzierung der großen „vaterländischen Aufmärsche“ von 1933 lediglich durch die „Phönix Versicherung“ (und durch Mussolini) zu erklären. Denn sobald die große Partei mit Hilfe von Ministern den Einsatz von Steuergeldern oder die Aufnahme von Krediten mitbestimmte, hörte das schmierige Geschäft des Bettelns auf und die souveräne Tätigkeit des Geldabzweigens begann.

In Österreich II haben sich die Parteien bekanntlich eine Parteifinanzierung geschaffen (um keine geheimen Spenden mehr annehmen zu müssen), sie mehrmals erhöht und sie 2012 selbst kritisiert. ZB. Erwin Pröll: „Ich fordere die Streichung der Wahlkampfkosten-Rückerstattung auf Bundesebene. Der Bundeskanzler greift doch den Wählern mit der Direktförderung der Parteien und der Rückerstattung zweimal in die Tasche.“ Das war ein klares Wort, aber es wurde sehr verspätet, an einem Höhepunkt der politischen Vertrauenskrise in Österreichs 2. Republik, gesprochen.

Nun beschlossen Regierung und Bundesländer ein seltsames „Transparenz Paket“. Es bringt eine Verbesserungen in punkto Durchsichtigkeit der Finanzierung bei gleichzeitiger Erhöhung der Gesamtförderung der Parteien. Karlheinz Kopf sprach von „epochalem Werk“, Josef Cap von „Totalstriptease“. Diesmal gingen die Journalisten nicht mehr mit. Feier im Burgenländischen Landtag, 2011ZB. Der Standard formulierte witzig: „Die Parteien bitten den Steuerzahler für mehr Transparenz zur Kasse.“ Doch in Wahrheit ist die Geldsumme, die hier zusätzlich ausgegeben wird, eine Erdnuss gegen jene Gelder, die auf verdecktem Weg, gleichsam geheimdienstlich, dem Finanzplan entzogen werden. Und diese ganze im Vordergrund geführte Debatte um Direktheit und Indirektheit der Förderung, um Höhe und Ausgleich der Fördergelder zwischen den Ländern, um die Höhe der zu meldenden Spende, um die Definition von Spende usw. berührt in keiner Weise ein Hauptproblem aller großen, sich in Regierung befindlichen und souverän dünkenden Parteien: die Abzweigung großer Gelder für Zwecke, die im Finanzplan nicht vorgesehen sind.

Die Arkana der Macht, in denen die Geldverteilung beschlossen wird, waren historisch immer verdeckt und sind in Österreich gewiss nicht größer und schrecklicher als anderswo. Doch in Österreich haben die großen Parteien besonders große Ansprüche. Sie geben dem Mitglied Schutz und Lebensperspektive, sie erhalten Vielfalt in verschiedenen Bereichen am Leben, sie gestalten gleich das ganze Land. Aus diesem Grund dürfen verminderte Skrupel, was den Umgang mit Steuergeldern anbelangt, in den wichtigsten Parteivorständen vermutet werden. Man hat noch das Bild von Jörg Haider vor Augen, der dem einzelnen Kärntner, der vor ihn hintritt, persönlich den Geldschein in die Hand drückt. Geld, das vielleicht später der Hypo Bank fehlte. Die Geldabzweigung geschieht am leichtesten in staatsnahen Betrieben. Die noch ungeklärten Fragen zum Sturz der Bawag und zur Schwächung der Telekom weisen auf zwei verschiedene Formen der Geldabzweigung hin. Eine komische Umschreibung für parteigelenkten Druck lieferte unlängst der Firmenchef von „Porr“, Horst Pöchhacker, als er davon sprach, dass jeder Bauunternehmer, der einen großen Auftrag vom Staat bekommen möchte, „politische Landschaftspflege“ üben müsse. – Das Problem des politischen Drucks dort, wo er nicht hingehört, wäre zu durchdenken.

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