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Der Reigen der Köpfe
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Was in einer Nation innerhalb eines Jahres geschah, hätte
der Journalist zusammenfassen und analysieren sollen. Was tat er stattdessen? Er bildete mit Köpfen einen Reigen – oder einen Kranz, wie das die Kinowerbung macht. Sein Layouter rückte die Köpfe eng aneinander, um eine „Fülle“ zu suggerieren. Ein schwarzer Fußballer, der Chef von Red Bull, der Herr Bundeskanzler verdecken teilweise andere Gesichter: den Schauspieler Waltz, den Politiker Kurz, den Skifahrer Hirscher, Niki Lauda usw. … Und diesen ganzen Reigen hat die Redaktion sozusagen aus dem Nichts geschaffen, denn sie kann sich dabei nicht auf eine Umfrage berufen. Sie trat zusammen und bestimmte ganz allein, nur von Wolfgang Fellner geleitet, 200 Persönlichkeiten, von denen wir meinen, dass sie das laufende Jahr besonders prägen. (Österreich, 26./27. Okt. 2013)
Auf der Liste finden sich Showgrößen, Menschenfreunde, Politiker, aber auch Manager, Wissenschaftler, Köche, Künstler. Der einzelne Promi deckt entweder nur einen speziellen Berufskreis ab (Josef Penninger. Wichtigster Genetiker Österreichs) oder er steht für einen Berufskreis und einen Charakter zugleich (Fritz Neugebauer. Gewichtigster Bremser des Landes). Das gleichwertige Nebeneinander von Berufen und Charakteren (Ute Bock. Flüchtlingshelferin und gutes Gewissen des Landes. – Heinz Reitbauer. „Steirereck“ – Chef zaubert Weltklasse – Küche. – Susanne Riess. Ideenreiche Wüstenrot – Chefin. – Daniel Kehlmann. Was er anfasst, wird ein Bestseller. – Rudolf Taschner. Macht sogar Mathematik attraktiv. – Sarah Wiener. Lehrt uns und Berlin gesunde Küche) trennt Verbindungen, löscht Rangordnungen und täuscht Totalität vor.
Wenn Totalität einmal behauptet wird, fehlt im Österreich-Bild niemand mehr. Da freut sich Karl Wlaschek am schönen Leben, schockiert Gottfried Helnwein die Albertina, zeigt Eva Glawischnig im
Wahlkampf Schwächen, lebt Wolfgang Ambros von seinem Ruf, empfehlen sich die Chefs von Lidl, Lutz, Casinos Austria und Verbund
als Wohltäter (für wen?), ist Mirjam Weichselbraun in der Babypause,
hat Christoph Schönborn Kirchenruhe hergestellt, verheisst sich Ulli Sima als Rote Hoffnung, kehrt Johannes Hahn nach Wien zurück, erhebt sich Peter Rapp vom Boden…. Dieser Köpfeteppich könnte aus 2000
Köpfen gewebt sein und würde doch nichts über das
Funktionieren der Gesellschaft aussagen.
Die Welt der Promis ist übrigens etwas ganz Anderes als
eine öffentliche Straße, auf der immer neue Personen
auftauchen, kommen und sich entfernen. Sie ist eine mehr oder
weniger große Bühne, auf der der Promi sitzt in einer weithin schon
bekannten Rolle. Diese seine Festgelegtheit auf die Rolle
schwächt seine inhaltliche Lebendigkeit. Denn was antwortet Harald Serafin auf die Frage, worauf er bei Österreich am Meisten stolz ist?
Die Kultur strahlt ins Ausland hinein. Worauf ist Otto Schenk am Meisten stolz? Das kleine Land ist so schön. Worauf Werner Schneyder?
Das kleine Land ist so machtlos und bedauert es nicht. Hannes
Androsch? Der wirtschaftliche Erfolg der 2. Republik.
Fiona Swarovski? Die Menschen, die sich um den Tierschutz
kümmern. Andreas Gabalier: Die Berge, die Tracht, der Austropop.
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Dass nun alle Wichtigen schon bekannt, abgezählt und in den
Zeitungen versammelt sind, hat einst Oswald Wiener, den
keineswegs prominenten Vater der Köchin Sarah, zu dem Text „Purim – Ein Fest“ verleitet. Darinnen lässt Wiener alle Promis des Landes
(von 1967) in einem geschlossenen Theater namentlich
aufrufen und verprügeln, wobei er die Abfolge so geschickt wählt,
dass seine Aversion gegen Einzelne oder Gruppen nirgendwo spürbar wird. Es bleibt ein Rätsel, warum gerade diese und nicht andere
vom „Saalschutz“ gepeinigt werden. Um das Geheimnis zu erhöhen, werden auch Namenlose in die Gewaltorgie einbezogen.
Das ist die Fantasie der Aktionisten, die manchmal das eine oder
andere Gestaltungsprinzip witzig veranschaulicht, den Rest der
Welt aber unsichtbar belässt. Man erkennt die ungute Geschlossenheit der Promiwelt dadurch, dass das Aufrufen des Namens und
die geschlossenen Saaltüren nicht den Ruhm der Person vermehren,
sondern deren Sterblichkeit vor Augen führen. Doch kommt man
keineswegs auf den Gedanken, dass etwa zwischen Ute Bock,
der selbstlosen Helferin, und Heinz Reitbauer, dem Geldscheffler
vom „Steirereck“, der größte denkbare Gegensatz bestehen
könnte. Denn das Nebeneinander in der Liste der 200 Promis
drückt nicht nur Vielfalt, sondern auch Konfliktlosigkeit aus. Die Obdachlosen, die Frau Bock in der Todeszone aufsammelt und zu
retten sucht, sind natürlich von der Art her die gleichen wie die, die
im Stadtpark die Besucher des „Steirerecks“ verärgern und deshalb
von der Polizei entfernt werden.
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