DAS IST DIE HOMEPAGE VON MARTIN LUKSAN UND DES VEREINS FÜR RHETORIK UND BILD

 
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Wo sich betrügerische Energie entfaltet

Ein Taschendieb greift einsam und unbemerkt in eine fremde Tasche. Ein Trickdieb hat Helfer und nutzt für seinen Diebstahl eine Eigenschaft des Opfers aus (Mitleid, Angst, Hilfsbereitschaft usw.). Der betrügerische Aufwand bei den Call – in – Shows im Privatfernsehen war erheblich und verlangte außerdem die Gier und die Dümmlichkeit des Publikums. Es gab und gibt Enttäuschungsfestigkeit und Geduld bei Zusehern, die in der Hoffnung auf Geld bei Rätselsendungen in einer Warteschleife für Anrufer verbleiben. Die Gestalter der Sendung wissen von diesen Eigenschaften. Sie organisieren Fake-Anrufer, deren Telefonate einzig entgegen genommen werden, während die echten Anrufer nie durchgestellt werden, und spielen dem Publikum das Gewinnen von Geldpreisen in Permanenz vor. Sie steigern dadurch die Zahl der kostenpflichtigen Anrufe. Dort liegt der primäre Profit. Die Gewinne, die in der Sendung erzielt werden, werden nicht ausbezahlt und die Fake-Anrufer werden mit einem Bettel abgespeist. So sind zu guter Letzt nur die Organisatoren dieses „Spieles“ happy. Sie verdienen an den Anruf-Gebühren – und an den Sendehonoraren.

Ein Gericht bestimmt später scharf und klar, wer das betrügerische Rad gedreht hat. Es findet etwa die deutschen Gestalter dieser TV-Spiel-Sendung. Diese hatten in den Studios von Marx Media Vienna Techniker angewiesen, bestimmte Handy Nummern für die Freischaltung einzuprogrammieren, sie hatten die Fake – Anrufer instruiert und sie hatten ausgewählte Moderatoren darum gebeten, die Wiederkehr von Fake – Anrufern (die mehrmals anrufen und ihre Gefühle „spielen“ mussten) zu übersehen usw. Den Kreis der Tatkräftigen hat demnach die Justiz abgezirkelt. Und die Mitwisser?

Hier geht es nicht nur um die Organisation eines Betrugs, sondern auch um Vorteil im allgemeinen Sinn. Eine Reihe von Personen, aus zumindest drei Firmen, hat den scheinbaren Erfolg, der ein lupenreiner Betrug war, aus der Nähe miterlebt, dadurch, dass er in ihrer täglichen Arbeitswelt geschah. Angestellte der Firma MMV, in deren Studios gedreht wurde, Angestellte der Firma ATV, die die Sendung ausstrahlte (und an Einschaltziffern interessiert war), Angestellte der Firma MRS, die die Shows produzierte und eine Tochter von Telekom Austria war. Von Mitte 2004 bis Mitte 2005 wurde in Wien Erdberg ein Rad der Scheingewinne gedreht, das plötzlich zum Stillstand kam. Fernsehen steigt nicht gern aus einem Erfolg aus, es dreht lieber die gleiche oder eine ähnliche Serie weiter. Renate Graber, die über den Fall gut berichtet, sagt uns an dieser Stelle nicht, warum das Ganze in Wien 2005 aufhörte. Wer hat was entdeckt? MRS zog es vor, eine ähnliche Show in einem Schweizer Privatfernsehen zu produzieren (2008, 2009), ehe auch dort Schluss damit war und MRS plötzlich selbst eine Anzeige machte (2011). Wenig später trennte sich TA von ihrer Tochter und der Gründer von MRS verließ seine Firma, nicht ohne sie vorher einem Technikchef von TA ans Herz zu legen, der sie von TA kaufte. Ende 2014 wurde dann der Kreis der Tatkräftigen um diesen Erfinder und Gründer von „Mass Response Service“ (Herbert Dvoracek) erweitert – es wurde U-Haft über ihn verhängt.

Banken - zu groß dimensioniert - Frankfurt am Main.

Eine höhere und schädlichere Form des Betrugs spielt sich bei Großbanken und reichen Leuten ab. Etwa UBS, die größte Schweizer Bank, beriet ihre reichen Kunden im Umgang mit unversteuertem Geld. UBS Berater fuhren extra in die USA, um dortigen Kunden beim Verstecken von Geld auf Konten oder bei der „nachrichtenlosen“ Veranlagung von Geld zur Hand zu gehen. Durch diese tätige Hilfe wurde soviel Schwarzgeld geschaffen, dass die kapitalismusfreudigen USA mit Hilfe ihrer Steuerbehörde die Union de Banques Suisses überwachten und schließlich überführten. Ein UBS Manager (Raoul Weil) wurde 2013 in Italien verhaftet und in den USA vor Gericht gestellt – er hatte sich um die „nicht-steuerkonformen US Kunden“ gekümmert. Eine hohe Strafzahlung der Bank wurde schnell bezahlt.
Zwei einvernehmliche Partner bereichern sich auf Kosten der Allgemeinheit eines Landes. Der Kunde weiß vom Know How der Bank und die Bank macht heimlich ein Angebot. Dahinter steht die Logik von Korruption. Frage (an die Bank wie an den Kunden): Sie werden doch Geld, wenn es so leicht verdient ist, nicht ausschlagen? – Man hat aber begriffen, dass man nicht die menschliche Natur dafür verantwortlich machen soll, sondern den gesetzlosen Raum. Die modernen Gesellschaften fangen an, die Schlupflöcher für diese Art von Delikt zu schließen.

Zwischen Partnern kann ein Missverständnis entstehen, wenn der eine Partner sein Geld vollständig versteckt wähnt, während es der andere nur in einer Stiftung diskret geparkt hat. Karl-Heinz Grasser verklagte seinen Steuerberater auf Schadenersatz, nachdem er wegen Steuerhinterziehung vor dem Richter gelandet war. Eine heutige, lobenswerte Transparenz offenbart einen wichtigen Konflikt, den zwischen Steuervermeidung, die erlaubt ist, und flagrantem Steuerbetrug. Der junge Geldscheffler Grasser arbeitete auch nach seinem Ausscheiden aus dem Ministerium energisch an der materiellen Vorsorge für sich und seine Familie. Er ließ sich von der Kanzlei Deloitte eine Steuerkonstruktion erfinden, bei der er de facto keine Steuern mehr bezahlt. Doch das war nur seine Lesart des Konstrukts. Das Geflecht aus Stiftungen „rettete“ seine Passiv-Einkünfte (Dividenden) vor der Besteuerung, nicht aber seine Provisionen für eine Tätigkeit bei Julius Meinl. Hier griff Grasser (laut Deloitte) selbst ein, er lenkte diese Gelder in die Stiftungen und wurde so ein Fall für die Justiz.

Bevor die Kunstwirkung ganz aufhört

Und schließlich eine Form von Korruption , wo systemischer Druck auf den Tätern lastet, sodass die verbotenen Handlungen einer großen, persönlichen Energie nicht mehr bedürfen. Der Gelddruckerei – Skandal der OeNB. In dem dazugehörenden Prozess – wegen Bestechung und Beihilfe zur Untreue und zur Geldwäscherei – wandte sich der Staatsanwalt vielsagend an die Schöffen. „Lassen Sie gut verdienende Manager“, soll er gesagt haben, „nicht so davon kommen, sich nicht an Bauern- opfern abputzen.“ Er hat Recht, den Kreis der Tatkräftigen hätte man hier vergrößern sollen. Man braucht nur daran denken, dass die Banknotendruckerei (OeBS) teuerste Maschinen erhielt, die dann durch Druckaufträge gar nicht ausgelastet waren. Man musste Aufträge auch in Syrien und Aserbaidschan, bei den dortigen Notenbanken, erwirken – durch Geschenke und durch einen zwanzigprozentigen Aufschlag auf die Gesamtkosten. Diesen Aufschlag kassierten die Auftraggeber in den besagten Schwellenländern selber. Eine relativ kleine Angestellte innerhalb des OeBS durfte diese „Himmelfahrtskommandos“ organisieren und sich dann von einem Rechtsanwalt verdächtigen lassen („vielleicht hat sie das Geld selber eingesteckt“). Der Abschluss dieser Druckerei- verträge wurde aber den OeBS Managern nicht freigestellt, sondern wurde von der OeNB – Spitze (in Gestalt von Wolfgang Duchatczek) verlangt.

Auch wenn der direkte und grobe Betrug, der die Einzelperson schädigt, abstößt und empört, sollte das Bewusstsein um sich greifen, dass der Betrug an der Allgemeinheit und auf hoher Ebene für die Volkswirtschaft stärker ins Gewicht fällt. Die Justiz arbeitet daran, das Sprichwort von den „Großen, die man laufen lässt“, außer Kraft zu setzen… Gute Absichten überall. Die UBS etwa will ab 2015 keine unversteuerten Gelder mehr verwalten.

Dezember 2014

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