Ein Taschendieb greift einsam und unbemerkt in eine fremde Tasche.
Ein Trickdieb hat Helfer und nutzt für seinen Diebstahl eine
Eigenschaft des Opfers aus (Mitleid, Angst, Hilfsbereitschaft usw.). Der betrügerische Aufwand bei den Call – in – Shows im Privatfernsehen war
erheblich und verlangte außerdem die Gier und die Dümmlichkeit des
Publikums. Es gab und gibt Enttäuschungsfestigkeit und Geduld
bei Zusehern, die in der Hoffnung auf Geld bei Rätselsendungen
in einer Warteschleife für Anrufer verbleiben. Die Gestalter der Sendung wissen von diesen Eigenschaften. Sie organisieren Fake-Anrufer, deren Telefonate einzig entgegen genommen werden, während die echten Anrufer nie durchgestellt werden, und spielen
dem Publikum das Gewinnen von Geldpreisen in Permanenz vor. Sie steigern dadurch die Zahl der kostenpflichtigen Anrufe. Dort liegt
der primäre Profit. Die Gewinne, die in der Sendung erzielt werden, werden nicht ausbezahlt und die Fake-Anrufer werden mit einem Bettel abgespeist. So sind zu guter Letzt nur die Organisatoren dieses „Spieles“ happy. Sie verdienen an den Anruf-Gebühren – und an den Sendehonoraren.
Ein Gericht bestimmt später scharf und klar, wer das betrügerische
Rad gedreht hat. Es findet etwa die deutschen Gestalter dieser
TV-Spiel-Sendung. Diese hatten in den Studios von Marx Media
Vienna Techniker angewiesen, bestimmte Handy Nummern für die
Freischaltung einzuprogrammieren, sie hatten die Fake – Anrufer
instruiert und sie hatten ausgewählte Moderatoren darum gebeten, die
Wiederkehr von Fake – Anrufern (die mehrmals anrufen und ihre
Gefühle „spielen“ mussten) zu übersehen usw. Den Kreis der
Tatkräftigen hat demnach die Justiz abgezirkelt. Und die Mitwisser?
Hier geht es nicht nur um die Organisation eines Betrugs, sondern
auch um Vorteil im allgemeinen Sinn. Eine Reihe von Personen,
aus zumindest drei Firmen, hat den scheinbaren Erfolg, der ein lupenreiner Betrug war, aus der Nähe miterlebt, dadurch, dass er in ihrer täglichen Arbeitswelt geschah. Angestellte der Firma MMV, in deren Studios gedreht wurde, Angestellte der Firma ATV, die die Sendung ausstrahlte (und an Einschaltziffern interessiert war), Angestellte der Firma MRS, die die Shows produzierte und eine Tochter von Telekom Austria war.
Von Mitte 2004 bis Mitte 2005 wurde in Wien Erdberg ein Rad
der Scheingewinne gedreht, das plötzlich zum Stillstand kam.
Fernsehen steigt nicht gern aus einem Erfolg aus, es dreht lieber
die gleiche oder eine ähnliche Serie weiter. Renate Graber,
die über den Fall gut berichtet, sagt uns an dieser Stelle nicht, warum
das Ganze in Wien 2005 aufhörte. Wer hat was entdeckt? MRS zog
es vor, eine ähnliche Show in einem Schweizer Privatfernsehen zu
produzieren (2008, 2009), ehe auch dort Schluss damit war und MRS
plötzlich selbst eine Anzeige machte (2011). Wenig später trennte sich
TA von ihrer Tochter und der Gründer von MRS verließ seine Firma,
nicht ohne sie vorher einem Technikchef von TA ans Herz zu legen, der
sie von TA kaufte. Ende 2014 wurde dann der Kreis der Tatkräftigen
um diesen Erfinder und Gründer von „Mass Response Service“
(Herbert Dvoracek) erweitert – es wurde U-Haft über ihn verhängt.
Eine höhere und schädlichere Form des Betrugs spielt sich bei
Großbanken und reichen Leuten ab. Etwa UBS, die größte Schweizer
Bank, beriet ihre reichen Kunden im Umgang mit unversteuertem
Geld. UBS Berater fuhren extra in die USA, um dortigen Kunden beim
Verstecken von Geld auf Konten oder bei der „nachrichtenlosen“
Veranlagung von Geld zur Hand zu gehen. Durch diese tätige
Hilfe wurde soviel Schwarzgeld geschaffen, dass die
kapitalismusfreudigen USA mit Hilfe ihrer Steuerbehörde die Union
de Banques Suisses überwachten und schließlich überführten.
Ein UBS Manager (Raoul Weil) wurde 2013 in Italien
verhaftet und in den USA vor Gericht gestellt – er hatte sich
um die „nicht-steuerkonformen US Kunden“ gekümmert.
Eine hohe Strafzahlung der Bank wurde schnell
bezahlt.
Zwei einvernehmliche Partner bereichern sich auf Kosten der Allgemeinheit eines Landes. Der Kunde weiß vom Know How der
Bank und die Bank macht heimlich ein Angebot. Dahinter steht die Logik von Korruption. Frage (an die Bank wie an den Kunden):
Sie werden doch Geld, wenn es so leicht verdient ist, nicht
ausschlagen? – Man hat aber begriffen, dass man nicht die menschliche Natur dafür verantwortlich machen soll, sondern den gesetzlosen Raum. Die modernen Gesellschaften fangen an, die Schlupflöcher für diese Art von Delikt zu schließen.
Zwischen Partnern kann ein Missverständnis entstehen, wenn der
eine Partner sein Geld vollständig versteckt wähnt, während es
der andere nur in einer Stiftung diskret geparkt hat.
Karl-Heinz Grasser verklagte seinen Steuerberater auf Schadenersatz, nachdem er wegen Steuerhinterziehung vor dem Richter gelandet war. Eine heutige, lobenswerte Transparenz offenbart einen
wichtigen Konflikt, den zwischen Steuervermeidung, die erlaubt
ist, und flagrantem Steuerbetrug. Der junge Geldscheffler
Grasser arbeitete auch nach seinem Ausscheiden aus dem
Ministerium energisch an der materiellen Vorsorge für sich
und seine Familie. Er ließ sich von der Kanzlei Deloitte
eine Steuerkonstruktion erfinden, bei der er de facto keine
Steuern mehr bezahlt. Doch das war nur seine Lesart des
Konstrukts. Das Geflecht aus Stiftungen „rettete“ seine
Passiv-Einkünfte (Dividenden) vor der Besteuerung, nicht aber
seine Provisionen für eine Tätigkeit bei Julius Meinl. Hier griff
Grasser (laut Deloitte) selbst ein, er lenkte diese Gelder in
die Stiftungen und wurde so ein Fall für die Justiz.