DAS IST DIE HOMEPAGE VON MARTIN LUKSAN UND DES VEREINS FÜR RHETORIK UND BILD

 
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Sprachlose Sozialdemokratie

Sie stehen zwischen Einpersonen-Unternehmern und Wirtschaftsbossen und präsentieren die Marktwirtschaft als Naturgewalt. Renate Brauner geht als vierte von vier Stadträtinnen wie die Beatles über einen Zebrastreifen. Das sollen „Vorstadtweiber“ sein - oder „gute Erschütterungen“ - es ist aber eine schlechte Werbung. Man sieht Frau Brauner ein zweites Mal, mit dem Chef von Bombardier. Der Mann lacht, er baut „der Renate“ gerade eine neue „Bim-Flotte“. Michael Ludwig sieht man auch, er steht neben dem Chef von Interspar und hält das Modell eines neuen Einkaufszentrums in die Kamera.
Mit Bildern und Artikeln wirbt die Stadt - Verwaltung für sich selbst. Sie hat Verdienste, aber sie liefert nur hausbackene und verschwiegene Darstellungen. Warum muss Wien Lehrlinge ausbilden, die dann anschließend in Stadt-Betrieben gar nicht arbeiten? Und wieso muss Wien „die Mittagspause retten“? Gibt es sonst niemanden dafür? Im Auftrag der Stadt dokumentieren Forscher eine geplante oder schon gehabte Änderung der arbeitsfreien Minuten. Hier hätte man die Hintergründe gern erfahren (wer kommt in Österreich auf solche Gedanken), doch die SP –Forscher stellen die arbeitsrechtlichen Zumutungen nur fest. Das Bemühen um Mehr Gerechtigkeit ist noch nicht gestorben, aber es bringt keine eigene Kultur hervor. Die Kultur im „Wiener Bezirksblatt“ ist ein lächerliches Echo des allgemeinen Konsumierens, eine Mischung aus Health Club, City Life Fitness, BDMS, Omas Salat, Smart Banking und Hundert Meisterwerken des Pop.

Die Schwächung der Sozialdemokratie wird durch das Ende des Ostblocks ungenau erklärt. Durch den Wegfall der Sowjetunion als Schutzmacht können sich die vielen KP Organisationen nicht mehr halten und als Folge davon werden auch die Sozialdemokraten geschwächt. Die Erklärung besagt, dass die Sozialdemokratie nicht mehr als machbarer Sozialismus gilt, weil sie ihre Funktion, den Kommunismus zu verhindern, verloren hat. Das ist unplausibel. Denn wenn das kapitalistische Wirtschaften global, schrankenlos und destruktiv wirkt, müsste ja der linke Widerstand, egal in welcher Allianz, sofort erstarken. Dass das nicht geschieht, ist ein Rätsel.
In SP Blogs wird beklagt, dass SP Spitzenpolitiker mit den alten Parteiführern keine Ähnlichkeit mehr haben. Man sagt, dass sie Werte und Ziele verfolgen, die man in ein SP - Programm unmöglich hineinschreiben könnte. Dieser Verdacht kann bei Einzelpersonen erhärtet werden. Die schwarzen Schafe fühlen sich von Wirtschaftsmächten übertrieben abhängig, sie wollen der gegnerischer Gruppe, denjenigen, mit denen sie hart verhandeln sollen, gefallen oder ihnen eine große Kooperationsbereitschaft bieten. Hier hat man G. Schröder und T. Blair mit Recht genannt, weil diese zwei Politiker über längere Zeit hinweg ihre Reformpläne den fremden Werten der Wettbewerbsfähigkeit und Marktkonformität angepasst haben. Sie haben damit die typische SP – Politik verändert und Deutschland und England im Sinne ihrer Wähler kaum gestaltet.

Nun wird die SPÖ, wenn sie die österreichische Wirtschaft von multinationalen Konzernen und internationalen Finanzmärkten nicht frei halten kann, durch globalen Kapitalismus eingeschränkt. Dagegen muss sie sich wehren, indem sie die österreichische Zweidrittelgesellschaft zu verhindern sucht (ist nicht geglückt!) und indem sie die großen Probleme aufregend transparent macht. Aber nein, letzteres versucht sie nicht, diese zweite Aufgabe des Publizierens und Ideologisierens erfüllt sie gar nicht. Sie agiert, als wäre sie in der Rolle eines Kaisers, der die Ruhe im Land durch Geheimdiplomatie aufrechterhält. Die heutigen Verhältnisse sind zwar subtil und verflochten, aber man muss sie trotzdem erklären, das ist hier der „Kulturauftrag“. Man erfüllt nur die eine Hälfte dieses Kulturauftrags, wenn man sich wie M. Häupl hinstellt und über die Attraktivität Wiens für ausländische Investoren jubelt (Morgan Stanley und Rodamco in Einkaufs- zentren, GM in Aspern, AM in TA usw.), man muss auch über die verringerte Autonomie und über die Unsicherheit, die in Bündnissen und Kooperationen liegt, deutlich reden.

Franz Schuh Buchcover
Alfred Gusenbauer

Ein Verächter des sozialen Ausgleichs, der paradoxerweise aus der Sozialpartnerschaft kam (W. Schüssel), hat in Österreich eisern und konsequent, sogar gegen den Willen der Kronen Zeitung, eine extreme Klientel – Politik gemacht. Er hat Staatsbesitz privatisiert. Die SPÖ beschwor während dieser Zeit den sozialen und den humanitären Aspekt, doch kaum stellte sie selber den Regierungschef, organisierte sie, wie die SPD in Deutschland auch, neoliberale Veränderungen mit „menschlichem Gesicht“. A. Gusenbauer ragte hier hervor. Er war ein SP Typ, der die Welt noch realistischer sah als W. Schüssel, der sich da und dort zu Lieblings- vorhaben hinreißen ließ. Gusenbauer aber, am Höhepunkt seiner Karriere, agierte fast gar nicht mehr, vor lauter Vorsicht und Rücksicht reagierte er nur, ohne Angst vor den eigenen Leuten (die er verächtlich behandelte), doch mit viel Furcht vor der Zinsanhebung der Finanzmärkte für den Fall, dass er Finanzströme besteuerte, und mit Furcht vor der Herabstufung des Landes durch eine Rating – Agentur für den Fall, dass er für einen Bildungszweck die Staatsausgaben erhöhte.

Überrollt von der Marktwirtschaft, die in alle Bereiche eindringt, aber auch von einem Mentalitätswechsel in der Bevölkerung (der mit Technologie zu tun hat und noch kaum untersucht ist) haben die SP – Organisationen schweigen gelernt. Dort wo SP ler eine Rede halten oder durch einen Artikel hervortreten, sprechen sie in der Sprache der Wirtschaft. ZB. jene Bevölkerungsgruppen, die durch die momentane Politik weiter verarmen, werden durch Worte wie „Effizienz erhöhen“, „geleistete Arbeit evaluieren“, „Handlungsoptionen erweitern“, „Clusterbildung fördern“ und „PPS (Public Private Partnerships) vermehren“ nicht erfasst. Sie gehören zu jenem Drittel der Gesellschaft, das zwar noch wählen darf, aber sonst nicht mehr zählt.
Das Wort „politische Bildung“ war in den Volkshochschulen sehr lange gang und gäbe, bis um das Jahr 2006 die Zentrale der Volksbildung in Wien es für veraltet erklärte. Es wurde durch das Wort „Fakten“ ersetzt. Dann gab es ein Wahldebakel für die SP und verschiedene Forscher gaben bekannt, dass das Gros der Jugend, der ungebildete Teil, die FPÖ der SPÖ vorzuziehen pflegt, wegen der emotionalen Sprache. Seit damals gibt es in der SP wieder politische Bildung. In punkto „Vision“ prägte ein SPÖ – Bundeskanzler den kessen Satz: „Wer eine Vision hat, soll zum Arzt gehen.“ Diesem Realismus schloss sich die Wiener SP nicht an, sie startete in ihren Bezirken eine eigene Kampagne mit dem Titel „Wiener Visionen“, in deren Verlauf sie die Bürger um ihre Einfälle zur Verwaltung bat.

Die SP hatte diese Köpfe, die die Sprache für die veränderten Sachverhalte leicht fanden (und für Publikum gut pointierten), legte aber keinen Wert auf sie. Das sind Geschichten seit 1980. Egon Matzner, ein origineller Ökonom, der die uneingeschränkte Wirtschaftsfreiheit als Unheil genau beschrieb, konnte nur bei Kreisky anregend wirken; danach wurde er so hartnäckig ignoriert, dass er sich auf die Universität beschränkte und mit 60 pünktlich in Pension ging. Hugo Pepper, ein Widerstandskämpfer und beredter Lektor, konnte seine ideologische Fähigkeit nicht einbringen, weil er der Partei zu kompromisslos und zu scharfzüngig war. Eine ähnliche Ablehnung erlitt Peter Lhotzky, ein Autodidakt und begabter Polemiker, auch sein Talent wurde von der Partei missachtet, er blieb Versicherungsangestellter bis zuletzt.

Die SP, die für sozialen Ausgleich viel getan hat und noch viel tun kann, bastelt nach wie vor am Kapitalismus herum, übernimmt aber zunehmend seine Sprache. Wann wird der erste SPÖ ler, im Renner Institut oder im Hochholzer Hof, eine gute Idee als „Blue Chip“ bezeichnen? Wenn das geschieht, wird man nicht nur eine Nähe des Referenten zum politischen Gegner vermuten dürfen, sondern auch eine große Schwäche der Führung, des Parteivorstands, der in einer SP nicht nur die Linie der Politik, sondern auch die Sprache vorgibt… Einstweilen wird das Gute, das man tut, in falscher Weise beworben. Der Chef der Wiener SP (G. Niedermühlbichler) steht vor einem roten Plakat, das vom Fortbestehen nicht nur des Gratis-Kindergartens, auch diverser Stadt Wien – Gebühren kündet. Der Titel lautet: „Spürbar mehr im Börserl.“ Die Werbung weiß nicht, dass sie hier das Gleichbleiben eines Zustands als einen Höhepunkt linker Politik verkauft. Zwei Jahre noch, Leute, bleiben die Gebühren gleich, aber dann wird´s teuer.

© M.Luksan, April 2015

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