Sie stehen zwischen Einpersonen-Unternehmern und Wirtschaftsbossen
und präsentieren die Marktwirtschaft als Naturgewalt. Renate Brauner geht
als vierte von vier Stadträtinnen wie die Beatles über einen Zebrastreifen.
Das sollen „Vorstadtweiber“ sein - oder „gute Erschütterungen“ - es ist
aber eine schlechte Werbung. Man sieht Frau Brauner ein zweites Mal,
mit dem Chef von Bombardier. Der Mann lacht, er baut „der Renate“ gerade
eine neue „Bim-Flotte“. Michael Ludwig sieht man auch, er steht neben dem
Chef von Interspar und hält das Modell eines neuen Einkaufszentrums
in die Kamera.
Mit Bildern und Artikeln wirbt die Stadt - Verwaltung für sich selbst. Sie hat Verdienste, aber sie liefert nur hausbackene und verschwiegene Darstellungen. Warum muss Wien Lehrlinge ausbilden, die dann anschließend in
Stadt-Betrieben gar nicht arbeiten? Und wieso muss Wien
„die Mittagspause retten“? Gibt es sonst niemanden dafür? Im Auftrag
der Stadt dokumentieren Forscher eine geplante oder schon gehabte
Änderung der arbeitsfreien Minuten. Hier hätte man die Hintergründe gern erfahren (wer kommt in Österreich auf solche Gedanken), doch die SP –Forscher stellen die arbeitsrechtlichen Zumutungen nur fest. Das Bemühen um Mehr Gerechtigkeit ist noch nicht gestorben, aber es bringt keine eigene Kultur
hervor. Die Kultur im „Wiener Bezirksblatt“ ist ein lächerliches Echo des allgemeinen Konsumierens, eine Mischung aus Health Club, City Life Fitness, BDMS, Omas Salat, Smart Banking und Hundert Meisterwerken des Pop.
Die Schwächung der Sozialdemokratie wird durch das Ende des Ostblocks ungenau erklärt. Durch den Wegfall der Sowjetunion als Schutzmacht können
sich die vielen KP Organisationen nicht mehr halten und als Folge davon
werden auch die Sozialdemokraten geschwächt. Die Erklärung besagt, dass
die Sozialdemokratie nicht mehr als machbarer Sozialismus gilt, weil sie ihre Funktion, den Kommunismus zu verhindern, verloren hat. Das ist unplausibel.
Denn wenn das kapitalistische Wirtschaften global, schrankenlos und destruktiv
wirkt, müsste ja der linke Widerstand, egal in welcher Allianz, sofort erstarken. Dass das nicht geschieht, ist ein Rätsel.
In SP Blogs wird beklagt, dass SP Spitzenpolitiker mit den alten Parteiführern
keine Ähnlichkeit mehr haben. Man sagt, dass sie Werte und Ziele verfolgen,
die man in ein SP - Programm unmöglich hineinschreiben könnte. Dieser
Verdacht kann bei Einzelpersonen erhärtet werden. Die schwarzen Schafe
fühlen sich von Wirtschaftsmächten übertrieben abhängig, sie wollen der gegnerischer Gruppe, denjenigen, mit denen sie hart verhandeln sollen,
gefallen oder ihnen eine große Kooperationsbereitschaft bieten. Hier hat
man G. Schröder und T. Blair mit Recht genannt, weil diese zwei Politiker
über längere Zeit hinweg ihre Reformpläne den fremden Werten der Wettbewerbsfähigkeit und Marktkonformität angepasst haben. Sie haben
damit die typische SP – Politik verändert und Deutschland und England
im Sinne ihrer Wähler kaum gestaltet.
Nun wird die SPÖ, wenn sie die österreichische Wirtschaft von
multinationalen Konzernen und internationalen Finanzmärkten nicht
frei halten kann, durch globalen Kapitalismus eingeschränkt. Dagegen
muss sie sich wehren, indem sie die österreichische Zweidrittelgesellschaft
zu verhindern sucht (ist nicht geglückt!) und indem sie die großen
Probleme aufregend transparent macht. Aber nein, letzteres
versucht sie nicht, diese zweite Aufgabe des Publizierens und
Ideologisierens erfüllt sie gar nicht. Sie agiert, als wäre sie in der Rolle
eines Kaisers, der die Ruhe im Land durch Geheimdiplomatie
aufrechterhält. Die heutigen Verhältnisse sind zwar subtil
und verflochten, aber man muss sie trotzdem erklären, das ist hier
der „Kulturauftrag“. Man erfüllt nur die eine Hälfte dieses Kulturauftrags,
wenn man sich wie M. Häupl hinstellt und über die Attraktivität Wiens für ausländische Investoren jubelt (Morgan Stanley und Rodamco in Einkaufs-
zentren, GM in Aspern, AM in TA usw.), man muss auch über die
verringerte Autonomie und über die Unsicherheit, die in Bündnissen
und Kooperationen liegt, deutlich reden.
Alfred Gusenbauer
Ein Verächter des sozialen Ausgleichs, der paradoxerweise aus der Sozialpartnerschaft kam (W. Schüssel), hat in Österreich eisern
und konsequent, sogar gegen den Willen der Kronen Zeitung,
eine extreme Klientel – Politik gemacht. Er hat Staatsbesitz privatisiert.
Die SPÖ beschwor während dieser Zeit den sozialen und den
humanitären Aspekt, doch kaum stellte sie selber den Regierungschef,
organisierte sie, wie die SPD in Deutschland auch, neoliberale
Veränderungen mit „menschlichem Gesicht“. A. Gusenbauer
ragte hier hervor. Er war ein SP Typ, der die Welt noch
realistischer sah als W. Schüssel, der sich da und dort zu Lieblings-
vorhaben hinreißen ließ. Gusenbauer aber, am Höhepunkt seiner
Karriere, agierte fast gar nicht mehr, vor lauter Vorsicht und Rücksicht
reagierte er nur, ohne Angst vor den eigenen Leuten (die er verächtlich behandelte), doch mit viel Furcht vor der Zinsanhebung der Finanzmärkte
für den Fall, dass er Finanzströme besteuerte, und mit Furcht vor der
Herabstufung des Landes durch eine Rating – Agentur für den Fall,
dass er für einen Bildungszweck die Staatsausgaben erhöhte.
Überrollt von der Marktwirtschaft, die in alle Bereiche eindringt,
aber auch von einem Mentalitätswechsel in der Bevölkerung (der
mit Technologie zu tun hat und noch kaum untersucht ist) haben die
SP – Organisationen schweigen gelernt. Dort wo SP ler eine Rede
halten oder durch einen Artikel hervortreten, sprechen sie in der
Sprache der Wirtschaft. ZB. jene Bevölkerungsgruppen, die durch
die momentane Politik weiter verarmen, werden durch Worte wie
„Effizienz erhöhen“, „geleistete Arbeit evaluieren“, „Handlungsoptionen
erweitern“, „Clusterbildung fördern“ und „PPS (Public Private
Partnerships) vermehren“ nicht erfasst. Sie gehören zu jenem Drittel der Gesellschaft, das zwar noch wählen darf, aber sonst nicht mehr
zählt.
Das Wort „politische Bildung“ war in den Volkshochschulen sehr lange
gang und gäbe, bis um das Jahr 2006 die Zentrale der Volksbildung
in Wien es für veraltet erklärte. Es wurde durch das Wort
„Fakten“ ersetzt. Dann gab es ein Wahldebakel für die SP und
verschiedene Forscher gaben bekannt, dass das Gros der
Jugend, der ungebildete Teil, die FPÖ der SPÖ vorzuziehen pflegt,
wegen der emotionalen Sprache. Seit damals gibt es in der
SP wieder politische Bildung. In punkto „Vision“ prägte ein
SPÖ – Bundeskanzler den kessen Satz: „Wer eine Vision hat,
soll zum Arzt gehen.“ Diesem Realismus schloss sich die Wiener
SP nicht an, sie startete in ihren Bezirken eine eigene Kampagne mit
dem Titel „Wiener Visionen“, in deren Verlauf sie die Bürger um ihre
Einfälle zur Verwaltung bat.
Die SP hatte diese Köpfe, die die Sprache für die veränderten
Sachverhalte leicht fanden (und für Publikum gut pointierten), legte
aber keinen Wert auf sie. Das sind Geschichten seit 1980. Egon
Matzner, ein origineller Ökonom, der die uneingeschränkte
Wirtschaftsfreiheit als Unheil genau beschrieb, konnte nur bei Kreisky
anregend wirken; danach wurde er so hartnäckig ignoriert, dass er
sich auf die Universität beschränkte und mit 60 pünktlich in
Pension ging. Hugo Pepper, ein Widerstandskämpfer und
beredter Lektor, konnte seine ideologische Fähigkeit nicht einbringen,
weil er der Partei zu kompromisslos und zu scharfzüngig war.
Eine ähnliche Ablehnung erlitt Peter Lhotzky, ein Autodidakt
und begabter Polemiker, auch sein Talent wurde von der Partei
missachtet, er blieb Versicherungsangestellter bis zuletzt.
Die SP, die für sozialen Ausgleich viel getan hat und noch viel tun kann,
bastelt nach wie vor am Kapitalismus herum, übernimmt aber zunehmend
seine Sprache. Wann wird der erste SPÖ ler, im Renner Institut oder im
Hochholzer Hof, eine gute Idee als „Blue Chip“ bezeichnen? Wenn das
geschieht, wird man nicht nur eine Nähe des Referenten zum
politischen Gegner vermuten dürfen, sondern auch eine große Schwäche
der Führung, des Parteivorstands, der in einer SP nicht nur die Linie
der Politik, sondern auch die Sprache vorgibt… Einstweilen wird das
Gute, das man tut, in falscher Weise beworben. Der Chef der
Wiener SP (G. Niedermühlbichler) steht vor einem roten Plakat, das
vom Fortbestehen nicht nur des Gratis-Kindergartens, auch
diverser Stadt Wien – Gebühren kündet. Der Titel lautet: „Spürbar mehr
im Börserl.“ Die Werbung weiß nicht, dass sie hier das Gleichbleiben
eines Zustands als einen Höhepunkt linker Politik verkauft. Zwei Jahre
noch, Leute, bleiben die Gebühren gleich, aber dann wird´s teuer.
© M.Luksan, April 2015
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