DAS IST DIE HOMEPAGE VON MARTIN LUKSAN UND DES VEREINS FÜR RHETORIK UND BILD

 
  STARTSEITE


Von Trump und Amerika nur die halbe Wahrheit

Der ORF berichtete am 8. November 2016, ein paar Stunden vor der Wahl des amerikanischen Präsidenten, aus seinem Studio in Washington D.C. Das Gespräch des Moderators mit drei Gästen war bereits zu Ende, ein deutscher Experte und eine österreichische Fachfrau beantworteten die allerletzte Frage „Wer wird´ s?“ mit „Hillary“. Doch der amerikanische Gast in dieser Sendung sagte „Trump“, obwohl auch er kein Fan des riskanten Kandidaten war. Dann war die Sendung aus und die Hörer waren allein mit der überraschenden Prognose, die im vorangegangenen Gespräch auch der Ami nicht begründet hatte.

Eine Überraschung aus heiterem Himmel. Bis zum Urnengang der Amerikaner berichteten die europäischen Medien über eine Menge Dinge. Man hörte und las von den Programmpunkten und vom Ansehen eines jeden Kandidaten, von seiner Klientel, von der Stimmung im Land, von den traditionellen Mehrheiten und von den „Schaukelstaaten“. Aber es gab kaum Nachricht von den still gelegten Industrie-Regionen und Null Nachricht vom amerikanischen Wahlmänner – System. Den Journalisten war nichts unbekannt, dennoch sparten sie diese beiden Themen aus.

Nach dem Siegeszug von Trump gegen seine Mitbewerber aus der Republikanischen Partei wurde in den amerikanischen Medien vor ihm gewarnt. Aber es wurden nur der Rüpel, der Politclown, der politische Dilettant etc. betont, nicht seine Verfehlungen (das genaue Trump – Portrait fand öffentlich nicht statt), und vor allem die guten Chancen dieses Kandidaten wurden nicht behandelt. Diese Zurückhaltung in Amerika hat mit dem amerikanischen Verständnis von fairer Öffentlichkeit gewiss zu tun. Doch auch die deutschsprachigen Journalisten haben Michael Moore nicht beachtet, der aus dem Rust Belt stammt und das Ergebnis der Wahl vorausgesagt hat (noch ehe sein Film „Michael Moore im Trump Land“ fertig war). Es war auch das Urteil von John Irving für sie nicht interessant, der die USA – Verhältnisse immer auch von Kanada aus betrachtet. Und offensichtlich haben sie David C. Johnston nicht gelesen, der den ehrpusseligen Unternehmer schon seit 1985 beobachtet.

Für Amerikaner scheint es ein No Go zu sein, einen Geschäftsmann darzustellen, der Baumaterial für seine Hochhäuser günstig von der Mafia bekommt. Man will auch über die Steuerbefreiung eines Mannes durch die Stadt New York nicht sprechen, die als Gegenleistung für ein bloßes Enterprise gegeben wird. Und man lehnt eine Diskussion über die Serien-Konkurse eines Geschäftsmannes ab, der die wirtschaftliche Tragfähigkeit eines Casino – Betriebes mehrmals hintereinander falsch eingeschätzt hat. Freilich, sobald eine gerichtliches Urteil gegen den Business Mann vorliegt, schnappt die amerikanische Moralfalle zu und man sucht nach ähnlichen (und sogar unähnlichen) Delikten.

Bob Dylan und Joan Baez 1965

Über das Fremde der amerikanischen Mentalität hätte man aus Anlass dieses Wahlkampfes nachdenken sollen. Falls es geschah, so geschah es versteckt. Nicht einmal Hillary Clinton stellte die ökonomischen Defizite des Donald Trump zur Diskussion. Sie beschränkte sich auf Andeutungen („Wir werden uns seine Steuer- geschichten anschauen“), als dürfte sie auf keinen Fall die Neigung ihrer Landsleute zur erlaubten Steuervermeidung schlecht reden. So gesehen hatte sie schlechte Karten. Trump präsentierte sich durch bloßes Steuer - Senken, Grenzen – dicht - Machen und Ausgaben – im – Ausland – Senken als die Kraft der Erneuerung. Doch, wie gesagt, hat er in einem Land, wo bei einem Konkursverfahren eher der Schuldner als der Gläubiger geschützt wird, frei nach der Logik: Wer bei uns mitmacht, ist selber schuld!, mentalitätsmäßig einen Bonus. Der ungebildete Normalverbraucher, der kleine Mann der Tat, der Mann von der Straße, bejubelt die Milchmädchenrechnung der Politik und weist den Nachweis der Ausnutzung des amerikanischen Systems als banal und rufmörderisch zurück.

Auch über das indirekte Wahlsystem (mit Wahlmännern, die den Präsidenten wählen, aber nicht in jedem Staat die gleiche Stimmenanzahl hinter sich vereinen) hätte man vor der Wahl gern Näheres erfahren. Die Medien zogen es vor, nicht Kassandra zu spielen und in Gefahr zu geraten, dem Nachrichten – Empfänger zu missfallen. Es wäre trotzdem besser für unsere Kultur gewesen, sie hätten ein hartes, vollständiges Nachrichten – Service geliefert, in dem sie die schlimme Realität, die sie kommen sahen, nicht durch Worte verhüllt und weg gesprochen hätten. Aber sie wollten eben auch zu keinem Zeitpunkt der laufenden Nachrichten das Prinzip der Überraschung außer Kraft setzen, das für Unterhaltung so wichtig ist.

© M.Luksan, November 2016

zurück