DAS IST DIE HOMEPAGE VON MARTIN LUKSAN UND DES VEREINS FÜR RHETORIK UND BILD

 
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Society – Öffentlichkeit

Am Vormittag tänzelt der Star über den roten Teppich, am Abend sitzt er schwer betrunken neben einer Barfrau. So ergeben sich ein öffentliches und ein privates Bild, wobei das Publikum beide Fotos sehen darf. Einem Promi sind im Privatbereich engere Grenzen gezogen als einem öffentlich Unbekannten. Der Prominente will am Abend vielleicht von den Medien befreit sein, aber er kann sein Recht auf Privatheit - im Zusammenhang mit Frauen - unmöglich schützen, wenn er vorher in einer Talkshow über seine Ehekrise geplaudert hat. Und das ist gut so, dass hier nicht ein Prominenter, der jahrelang Nachrichten aus seinem Privatleben veröffentlicht hat, plötzlich allein bestimmt, dass er keine Person von öffentlichem Interesse mehr ist.

Nicht nur der Promi, auch die Medien bestimmen, welche Bilder, Filme und Texte über die prominente Person im Umlauf sind. Der Status des Prominenten (A, B, C) entscheidet über den Umfang und die Art der berichteten Intimität. Der Firmenboss, die Frau des Spitzenpolitikers oder der Zeitungszar will seine Privatsphäre geschützt haben, wohingegen die Pornodarstellerin oder die Königin des „Dschungelcamps“ scheinbar keinen Wert auf Diskretion legt und von einem Drogenproblem oder von einer Vergewaltigung freimütig erzählt. Richard Lugner, der einst ein seriöser Baumeister war, behauptet sogar, dass er kein Privates mehr hat. Zumindest hat er sich mit zunehmendem Alter und nachlassendem Geschäftserfolg in eine sehr öffentliche Person verwandelt.

Zur Klasse der C – Promis werden Filmsternchen, Exsportler und Ex - Ehefrauen von A Promis gezählt, aber auch Personen in exzentrischer Lage wie Prostituierte, Bordellbesitzer und Ex Knackis. Das private Fernsehen hat fragwürdige Formate hervorgebracht wie „Deutschland sucht den Superstar“ oder „Ich bin ein Star – holt mich hier raus“ (das besagte „Dschungelcamp“), die beim Publikum niedrige Instinkte wecken und eine Halbwelt aus C - Promis wie von selbst entstehen lassen. Wer sich als Mitspieler in einer solchen Show eine Zeitlang hält, wird durch die bloße Zuschauerquote der Sendung prominent.

Lugner mit Mausi und Freunden
Society im Deutschen Fernsehen. Richard Lugner und Familie, Harald Glööckler und Familie, 1998.

Die Medien wählen einen Teil der Personen aus, die die Öffentlichkeit repräsentieren sollen. Das macht den Journalisten Spaß, wenn sie besonders schräge Typen finden. Die Öffentlichkeit wird aber dadurch nicht „demokratischer“, dass Medienleute ihren Spaß haben und ein paar originelle Menschen zu den erlauchten Menschen dazu stellen. Bei einem A - Promi werden stets auch die Funktion, das Amt und die Herkunft in Rechnung gestellt, doch bei einem Obdachlosen, der in einem hohlen Baum schläft, oder bei einem Behinderten, der sich mit nur einem Arm und einem Bein auf Seilen in der Wohnung fortbewegt, kann man nur die Leistung und die Persönlichkeit feststellen. All diese von den Medien ernannten Promis haben offensichtlich die Funktion, die etablierte Gesellschaft zu ergänzen. Sie sollen eine „menschliche Bandbreite“ vortäuschen, die in dieser Form nicht gegeben ist.

Der österreichische Ur – Adabei Roman Schliesser hat bei seinem Fortgang in die Pension geklagt, dass in der Gesellschaftswelt die wirklich guten Geschichten schon gelaufen wären. Damit meinte er vor allem, dass bei den Spielen und Festen der Society die Wildheit und die Leidenschaftlichkeit der Promis nachgelassen hat. Zumindest für Journalisten findet „Dolce Vita“ nicht mehr statt. Kontrahenten stoßen einander nicht mehr in den Pool, der Gatte ohrfeigt nicht mehr öffentlich die Gattin, der Altstar zeigt dem Reporter eher sein Blutbild, als dass er vor der Kamera den Schampus leert. Das Interesse für „Seitenblicke“ und „Society“ aber ist geblieben. Die Strandparty, bei der der Rennfahrer seine neue Freundin präsentiert, das Grillfest, bei dem mehrere Grillweltmeister die Spieße drehen, die Pool – Party, auf der Fast – Namenlose bis zum Einschreiten der Polizei feiern, liefern heute die gewünschten Bilder.

Die Society - Öffentlichkeit hat möglicherweise die größte Reichweite. Man darf das wegen der gehäuften, medialen Vermittlung annehmen, die hier nicht einmalig, sondern permanent geschieht. In diese spezielle Öffentlichkeit drängen heute Hinz und Kunz. Wer in dieser Öffentlichkeit Fuß fasst, erhält einen prominenten „Namen“ und wähnt sein Lebensgefühl gesteigert. Ergo will er in dem Bereich verbleiben. Ein Paar, das seine Liebe in die Öffentlichkeit trug, beendete sein Verhältnis öffentlich. Der Mann, ein Medienunternehmer, stellte seine Frau, eine Schauspielerin, im Internet bloß, konnte sie dadurch eine Zeitlang isolieren, vermochte sie aber aus der Society nicht zu verdrängen. Am Ende der Affäre sprach die Schauspielerin ein interessantes Wort. „Mein Mann“, sagte sie, „hat viel mit Öffentlichkeit gearbeitet. Es war für mich ein hartes Stück Arbeit, meinen Respekt als Person zurück zubekommen.“ (Jenny Elvers über Goetz Elbertzhagen)

Die Kosten der Feste werden selten von Einzelpersonen getragen. Staatliche Institutionen sind oft sehr spendabel (ORF, Stadthalle, Rathaus usw.), und die Wirtschaft verlagert gerne teure PR – Aktionen von Firmenfesten und Messeveranstaltungen weg in den Society – Bereich hinein. Da tauchen dann die Chefs von Porsche, Novomativ, L´Oreal, UPC, Swatch usw. im Gourmetlokal, im Sektkeller, im Hotelsaal auf und treten dort mit Schauspielern, Sportlern und mediengemachten Originalen ins Gespräch. Auch einige, der sich vermehrenden Berater, die angeblich wissen, wie die Konzerne ihre Kundenkommunikation maßlos verbessern können, erhalten dabei einen Namen und ein Gesicht.

Die Wohltätigkeit ist ein häufiger und erklärter Zweck dieser Feste, doch die Motive der Teilnehmer und Spender sind undurchsichtig. Bei einer Charity – Gala, die ein großer Sender überträgt, nehmen fast alle Promis der Klasse A und B vor der Kamera den gleichen Ausdruck an. Sie schauen nicht stolz, ernst, freundlich oder gleichmütig drein, sondern übertrieben fröhlich, haben den Mund aufgerissen und halten das Sektglas ins Objektiv. Selten werden sie im Gespräch gezeigt, sondern meistens direkt in die Kamera schauend und auf den Bildbetrachter bezogen, aufgenommen.

Die Konsumenten der Society – Öffentlichkeit sind kaum bekannt. Dabei sind sie der große Vorwand, warum diese Feste und Spiele so stattfinden und medial so aufbereitet werden. Zur Zeit der Soraya – Presse, als die Promis wilder waren und die Adabeis respektvoller berichteten, waren Anerkennung und Bewunderung mit Sicherheit weit verbreitet. Diese Eigenschaften implizieren die Neidlosigkeit der Bunten Blätter – Leser, die heute noch vorherrscht. Distanziertheit und Spott sind selten. Am Weitesten verbreitet scheint heute der „interessierte Voyeur“ zu sein. Was wäre dessen Interesse? Als Konsument nimmt er die Nachrichten und Bilder ohne Neid, ohne Anerkennung und ohne Verachtung auf, benötigt sie aber als Material für Tratsch. Die Bekanntheit der Person garantiert ihm das Nachrichten – Interesse dort, wo er die Sache erzählen will. Diese Lust am Weitererzählen ist vermutlich stärker und häufiger gegeben als die Sensationslust.

Diese Feste, die die große Öffentlichkeit nicht sind, sondern nur einen – wichtigen - Teil derselben herstellen, und diese Medien, die die Vertreter der Society definieren, und diese Konsumenten, die durch Beachtung der Society zwar nicht ihr persönliches Relevanzsystem, aber doch ihr Wissen von der Welt erweitern, arbeiten fest an einer unwesentlichen und falschen Richtung des Geistes. Ähnlich wie die Werbung. © M.Luksan, August 2017

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