Am Vormittag tänzelt der Star über den roten Teppich, am Abend
sitzt er schwer betrunken neben einer Barfrau. So ergeben sich ein
öffentliches und ein privates Bild, wobei das Publikum beide Fotos
sehen darf. Einem Promi sind im Privatbereich engere Grenzen
gezogen als einem öffentlich Unbekannten. Der Prominente will
am Abend vielleicht von den Medien befreit sein, aber er kann sein
Recht auf Privatheit - im Zusammenhang mit Frauen - unmöglich
schützen, wenn er vorher in einer Talkshow über seine Ehekrise
geplaudert hat. Und das ist gut so, dass hier nicht ein Prominenter,
der jahrelang Nachrichten aus seinem Privatleben veröffentlicht
hat, plötzlich allein bestimmt, dass er keine Person von öffentlichem
Interesse mehr ist.
Nicht nur der Promi, auch die Medien bestimmen, welche Bilder, Filme
und Texte über die prominente Person im Umlauf sind. Der Status des Prominenten (A, B, C) entscheidet über den Umfang und die Art der
berichteten Intimität. Der Firmenboss, die Frau des Spitzenpolitikers
oder der Zeitungszar will seine Privatsphäre geschützt haben,
wohingegen die Pornodarstellerin oder die Königin des
„Dschungelcamps“ scheinbar keinen Wert auf Diskretion legt
und von einem Drogenproblem oder von einer Vergewaltigung freimütig
erzählt. Richard Lugner, der einst ein seriöser Baumeister war,
behauptet sogar, dass er kein Privates mehr hat. Zumindest
hat er sich mit zunehmendem Alter und nachlassendem
Geschäftserfolg in eine sehr öffentliche Person verwandelt.
Zur Klasse der C – Promis werden Filmsternchen, Exsportler und
Ex - Ehefrauen von A Promis gezählt, aber auch Personen in
exzentrischer Lage wie Prostituierte, Bordellbesitzer und Ex Knackis.
Das private Fernsehen hat fragwürdige Formate hervorgebracht wie
„Deutschland sucht den Superstar“ oder „Ich bin ein Star – holt mich hier
raus“ (das besagte „Dschungelcamp“), die beim Publikum niedrige Instinkte
wecken und eine Halbwelt aus C - Promis wie von selbst entstehen
lassen. Wer sich als Mitspieler in einer solchen Show eine Zeitlang hält,
wird durch die bloße Zuschauerquote der Sendung prominent.
Society im Deutschen Fernsehen.
Richard Lugner und Familie, Harald Glööckler und
Familie, 1998.
Die Medien wählen einen Teil der Personen aus, die die Öffentlichkeit repräsentieren sollen. Das macht den Journalisten Spaß, wenn sie
besonders schräge Typen finden. Die Öffentlichkeit wird aber dadurch
nicht „demokratischer“, dass Medienleute ihren Spaß haben und
ein paar originelle Menschen zu den erlauchten Menschen dazu
stellen. Bei einem A - Promi werden stets auch die Funktion, das
Amt und die Herkunft in Rechnung gestellt, doch bei einem Obdachlosen,
der in einem hohlen Baum schläft, oder bei einem Behinderten,
der sich mit nur einem Arm und einem Bein auf Seilen in der Wohnung
fortbewegt, kann man nur die Leistung und die Persönlichkeit
feststellen. All diese von den Medien ernannten Promis haben
offensichtlich die Funktion, die etablierte Gesellschaft zu ergänzen.
Sie sollen eine „menschliche Bandbreite“ vortäuschen, die in dieser
Form nicht gegeben ist.
Der österreichische Ur – Adabei Roman Schliesser hat bei seinem
Fortgang in die Pension geklagt, dass in der Gesellschaftswelt die
wirklich guten Geschichten schon gelaufen wären. Damit meinte er
vor allem, dass bei den Spielen und Festen der Society die
Wildheit und die Leidenschaftlichkeit der Promis nachgelassen hat.
Zumindest für Journalisten findet „Dolce Vita“ nicht mehr statt.
Kontrahenten stoßen einander nicht mehr in den Pool, der Gatte
ohrfeigt nicht mehr öffentlich die Gattin, der Altstar zeigt dem
Reporter eher sein Blutbild, als dass er vor der Kamera den
Schampus leert. Das Interesse für „Seitenblicke“ und „Society“ aber
ist geblieben. Die Strandparty, bei der der Rennfahrer seine neue
Freundin präsentiert, das Grillfest, bei dem mehrere Grillweltmeister
die Spieße drehen, die Pool – Party, auf der Fast – Namenlose
bis zum Einschreiten der Polizei feiern, liefern heute die
gewünschten Bilder.
Die Society - Öffentlichkeit hat möglicherweise die größte Reichweite.
Man darf das wegen der gehäuften, medialen Vermittlung annehmen,
die hier nicht einmalig, sondern permanent geschieht. In diese
spezielle Öffentlichkeit drängen heute Hinz und Kunz. Wer in
dieser Öffentlichkeit Fuß fasst, erhält einen prominenten
„Namen“ und wähnt sein Lebensgefühl gesteigert. Ergo will er in
dem Bereich verbleiben. Ein Paar, das seine Liebe in die
Öffentlichkeit trug, beendete sein Verhältnis öffentlich.
Der Mann, ein Medienunternehmer, stellte seine Frau, eine
Schauspielerin, im Internet bloß, konnte sie dadurch eine
Zeitlang isolieren, vermochte sie aber aus der Society nicht
zu verdrängen. Am Ende der Affäre sprach die Schauspielerin
ein interessantes Wort. „Mein Mann“, sagte sie, „hat viel mit
Öffentlichkeit gearbeitet. Es war für mich ein hartes Stück
Arbeit, meinen Respekt als Person zurück zubekommen.“
(Jenny Elvers über Goetz Elbertzhagen)
Die Kosten der Feste werden selten von Einzelpersonen getragen.
Staatliche Institutionen sind oft sehr spendabel (ORF, Stadthalle,
Rathaus usw.), und die Wirtschaft verlagert gerne teure
PR – Aktionen von Firmenfesten und Messeveranstaltungen
weg in den Society – Bereich hinein. Da tauchen dann die
Chefs von Porsche, Novomativ, L´Oreal, UPC, Swatch usw. im
Gourmetlokal, im Sektkeller, im Hotelsaal auf und treten dort mit
Schauspielern, Sportlern und mediengemachten Originalen ins
Gespräch. Auch einige, der sich vermehrenden Berater, die
angeblich wissen, wie die Konzerne ihre Kundenkommunikation
maßlos verbessern können, erhalten dabei einen Namen und ein
Gesicht.
Die Wohltätigkeit ist ein häufiger und erklärter Zweck dieser
Feste, doch die Motive der Teilnehmer und Spender sind
undurchsichtig. Bei einer Charity – Gala, die ein großer
Sender überträgt, nehmen fast alle Promis der Klasse A und B
vor der Kamera den gleichen Ausdruck an. Sie schauen nicht
stolz, ernst, freundlich oder gleichmütig drein, sondern
übertrieben fröhlich, haben den Mund aufgerissen und halten
das Sektglas ins Objektiv. Selten werden sie im Gespräch
gezeigt, sondern meistens direkt in die Kamera schauend und
auf den Bildbetrachter bezogen, aufgenommen.
Die Konsumenten der Society – Öffentlichkeit sind kaum bekannt.
Dabei sind sie der große Vorwand, warum diese Feste und
Spiele so stattfinden und medial so aufbereitet werden.
Zur Zeit der Soraya – Presse, als die Promis wilder waren und
die Adabeis respektvoller berichteten, waren Anerkennung und
Bewunderung mit Sicherheit weit verbreitet. Diese Eigenschaften
implizieren die Neidlosigkeit der Bunten Blätter – Leser, die
heute noch vorherrscht. Distanziertheit und Spott sind selten.
Am Weitesten verbreitet scheint heute der „interessierte
Voyeur“ zu sein. Was wäre dessen Interesse? Als Konsument
nimmt er die Nachrichten und Bilder ohne Neid, ohne
Anerkennung und ohne Verachtung auf, benötigt sie aber als
Material für Tratsch. Die Bekanntheit der Person garantiert ihm
das Nachrichten – Interesse dort, wo er die Sache erzählen
will. Diese Lust am Weitererzählen ist vermutlich stärker
und häufiger gegeben als die Sensationslust.
Diese Feste, die die große Öffentlichkeit nicht sind, sondern nur
einen – wichtigen - Teil derselben herstellen, und diese Medien,
die die Vertreter der Society definieren, und diese Konsumenten,
die durch Beachtung der Society zwar nicht ihr persönliches
Relevanzsystem, aber doch ihr Wissen von der Welt erweitern,
arbeiten fest an einer unwesentlichen und falschen Richtung
des Geistes. Ähnlich wie die Werbung.
© M.Luksan, August 2017
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