Dass der schlanke und jugendlich aussehende Bundeskanzler,
51 Jahre alt, Fußball in seinem Amtszimmer spielte und lachend eine
Pizza austrug, verrät die Ideen der Werbefuzzis (Pizza – Austragen
- eine Idee aus Israel). Dass er mitspielte und Gefallen daran fand,
sollte man ihm nach Jörg Haiders lebenslanger Fitness – Performance
nicht vorwerfen. Auch der sportliche Außenminister hing malerisch
in einer Steilwand und der gut gewachsene Oppositionsführer posierte
in der Badehose. Die Betonung des jugendlich fitten Körpers ist noch
kein Indiz für ausgeprägte Eitelkeit. Etwas anderes ist es, wenn sich
jemand Haarteile aufklebt, ein Mieder anlegt oder sich sonstwie
schwindlerisch verschönert.
In dem von ÖSTERREICH verbreiteten Dossier über Christian
Kern wird eine abwertend beschriebenen Gesamtpersönlichkeit mit
der totalen Eitelkeit verbunden. „Er hat ein äußerst schwaches
Nervenkostüm und ein Glaskinn. Er ist eine Prinzessin und
ungemein eitel.“ Da Kern diese fehlende Nervenstärke, diese
schwache Konstitution und diese triebhafte Eitelkeit trotz seiner
vielen Auftritte noch nicht gezeigt hatte, schrieb Wolfgang Fellner, um
sich abzusichern, dazu: „Man kann Kern viel vorwerfen – aber sicher
ist er keine 'Prinzessin', ganz sicher ist er in keiner Weise 'unsicher',
ganz sicher reagiert er auf Kritik nicht 'panisch' - sondern professionell.“
(ÖSTERR., 22.09.2017)
Zwei Tage später änderte er diese Meinung, nachdem der Kanzler
sich verärgert gezeigt und die Veröffentlichung sanktioniert hatte.
„Kern reagierte – als hätte es eines Beweises bedurft – exakt wie
sein Psychogramm im Papier“, ÖSTERR., 24.09.2017) Damit
war Unklarheit geschaffen. Denn einmal war Kern von anderer
Art, als das Psycho-Papier behauptet, während das zweite Mal
die Negativ-Bewertung zutraf. Fellner hat kein Problem damit,
dass der Nachweis seiner Fehleinschätzung am Rand einer
verzichtbaren Veröffentlichung steht.
Solche Widersprüche, die in einer schnellen Kampagne wie
von selbst entstehen, nimmt dieser Journalist in Kauf. Fellner
musste aber den Vorwurf der Belanglosigkeit des Dossiers abwehren.
So betonte er mehrmals, dass der Abdruck des Psychogramms
und die begleitenden Artikel für die Allgemeinheit von größtem
Interesse wären. „Das Wahlkampf – Papier der SPÖ ist von
enormer politischer Brisanz (...) Es zeigt (...) dass
Kerns eigene Wahlkampf–Truppe enorme Zweifel an seiner
Nervenstärke und Belastbarkeit hatte (...) Wenn die eigenen
Mitarbeiter kein Vertrauen in die Belastbarkeit des Kandidaten
haben, dann hat ja wohl jeder Wähler ein Recht, das zu erfahren“
(ÖSTERR., 26.09.19)
Zwar hatte Fellner auch über das geheime Strategie–Papier der
ÖVP knapp berichtet, doch hatte dieses Papier die Aktivitäten
und Zielvorgaben neutral beschrieben und nicht die Persönlichkeit
des Kandidaten in Frage gestellt. Das ÖVP – Papier zeigte Kurz
und seine Mannen bei der gekonnten Machtübernahme der
Volkspartei, und auch als Außenminister, der unablenkbar
an der Zerstörung der Regierung arbeitet (während die Welt denkt,
er wäre als Minister ausgelastet). So steht Kurz als mannhafter
Brutus, der für höhere Werte Böses tut, gegen einen mimosenhaften
und effeminierten Kern, der niemanden vertraut und dennoch
führen will. Wen werden wohl die jungen und einfach gestrickten
ÖSTERREICH–Leser lieber wählen?
Der wirkliche Herr an der Spitze einer Regierung wird in jedem
Land der Welt begehrt. Helmut Brandstätter hat bemerkt, dass
Kurz „von Anfang an auf klare Autorität gesetzt“ hat, während Kern
„nach starken Ansagen zu Beginn (...) oft als zögerlich empfunden
wurde, als einer, der seine Truppe nicht im Griff hat“ (KURIER, 24.09.17)
Diese Beobachtung wird demoskopisch bestätigt, denn in den
Umfragen hat Kurz die größte Führungsstärke und zwei andere
Spitzenwerte besetzt, während dem souverän auftretenden Kern,
der sich in der Beliebtheitsskala nah an Kurz herangearbeitet
hatte, nur die höchste Kompetenz zugestanden wird. Kompetenz
ist aber für einen Chef, dem die Mitarbeiter auf der Nase herumtanzen,
Nebensache.
Christian Kern bei Eröffnung der BahnhofCity Wien West (2011)
Foto: Manfred Werner - Tsui, Lizenz: cc-by-sa3.0.
Das besagte Kern–Dossier wurde als Arbeitspapier von einem
österreichischen Presse-Heini für den israelischen, nicht Deutsch
sprechenden Kampagnen-Leiter geschrieben. Es ist deshalb so rätselhaft,
weil das „unbekannte Wesen“ Kern, das das israelische Wahlkampf-
Genie erst kennen lernen musste, mit keinem einzigen Wort positiv
charakterisiert wird. Es gibt keine Gegenüberstellung von Vorzügen
und Schwächen, wie sie jeder Personalchef zumindest im Kopfe
vornimmt. Eine solche Negativ – Beschreibung ist nur hilfreich,
wenn man die Person nicht aufbauen, sondern demontieren will.
Mit einem solchen Papier kann man Mitarbeiter ratlos machen und
demotivieren, und beim politischen Gegner, dem man es zuschickt,
darf man sich einen Schaden für die eigene Partei erwarten.
Man muss also nach den wahlwerbenden Mitarbeitern fragen, die
die SPÖ–Spitze in ihrer Parteizentrale oder ausgelagert in der
Josefstadt oder sonstwo für sich arbeiten ließ. Hier müssen große
Fehler gemacht worden sein. Man vermutet unwillkürlich eine
Chaos–Truppe, doch die Fehler könnten auch eine Logik haben.
Ein Scherz von Fellner, am Beginn seiner Kampagne, liegt auf
der Hand: „Ich finde, dass eine Partei, die so dumme Intrigen über
den eigenen Chef verbreitet, Konkurs anmelden sollte.“
(ÖSTERREICH, 22.09.17)
Den Abdruck des Dossiers bestrafte der Bundeskanzler, wie
gesagt, durch Sanktionen. Kein Auftritt mehr in Fellners Web TV,
keine Interviews mehr für die Gratiszeitung, keine Wahlkampf-Inserate in ÖSTERREICH. Für einen Moment schlug die Zeitung
einen weinerlichen Ton an und faselte von „Erpressung“, obwohl
sie höchstens von „Rache“ hätte schreiben können (denn
der gewisse Schaden für die Zeitung wurde nicht angedroht,
sondern durchgeführt). Als Fürsprecher für ihren „kritischen
Journalismus“ zitierte ÖSTERREICH die BILD Zeitung, die Kern
als „Alpen-Pfau“ und „Prinz–ösi–n auf der Erbse“ ihren Lesern
vorstellte, mit dem Übertitel „VERLIERER“ (28.09.17)
Die seltsamen Wahlkämpfer, eine Gruppe innerhalb des Wahlkampf-
Teams, fügten dann der SPÖ noch einen finalen Schaden zu,
von dem die Öffentlichkeit am 1. Oktober erfuhr. Sie hatten eine
Fake–Website (gegen FPÖ) und eine Sudel–Website (gegen ÖVP)
eingerichtet und befüllt. Nachdem diese beiden Seiten eingestellt worden
waren, legte der Wahlkampfleiter (G. Niedermühlbichler) alle seine
Funktionen nieder. Nun war für Fellner der SPÖ Supergau gegeben.
Er ersetzte seine Meinung vom 22.09.17 („Ich habe Kern als Ausnahme-Erscheinung kennen gelernt ... Er ist ehrlich, anständig, verlässlich,
auf Ergebnisse, nicht auf Theater fokussiert“) durch die Forderung
nach der Entfernung Christian Kerns aus der Politik. „Kern muss
gehen, Doskozil kommen (...) Die SPÖ hat nur noch eine
Überlebens-Chance: Kern tritt heute zurück. Hans Niessl
übernimmt die Parteiführung, Hans Peter Doskozil die
Spitzenkandidatur.“ (ÖSTERREICH, 1.10.17)
Das ist wohl der Höhepunkt dieser Kampagne, dass ausgerechnet
der Kandidat mit der größten Wirtschaftskompetenz, mit der
relativ genauen Sprache und der deutlich reifsten Stimme
gelöscht werden soll. Der reißerische Zeitungsmann (Schmock)
greift in die Politik und teilt einer großen Partei mit, welche
Personalpolitik sie augenblicklich machen soll. Wolfgang Fellner
möchte wohl die Rolle Hans Dichands übernehmen, mit dem
die Politiker ein Frühstück oder eine Jause einnahmen, um mit ihm
undemokratische Abmachungen zu treffen. Die wirtschaftliche
Basis dafür hat sich Fellner 2016 geschaffen, wo er einen wahren
Inserate–Segen für seine Gratiszeitung bewirkte, viel größer
als die Auflagen–stärkeren Zeitungen. Geld von den
schwarzen Ministern Sobotka, Kurz, Rupprechter, freilich
auch vom roten Heeresminister Doskozil (Siehe „Heute“, 25.09.17)
Die immer noch bitter nötige SPÖ hat sich um viel gebracht.
Welche Rolle dabei Alfred Gusenbauer spielte, wird man nie
erfahren, man sollte aber wenigstens das Wirken der destruktiven
Wahlkämpfer genau beschreiben. Wer wurde von wem verdeckt
engagiert, wer hat noch Geld verlangt, wer war von der falschen
Partei, wer hat die E-Mails abgeschickt, damit man Unfähigkeit
und fremden Einfluss voneinander trennen kann. Es soll auf
keinen Fall eine öde Verschwörungstheorie entstehen, die hinter
der Verhinderung Kerns den ewig gleichen Teufel – aus
Amerika und Israel – präsentiert... Man sollte nicht nur die
Boulevardzeitungen genauer beobachten, weil sie viel Einfluss auf
die österreichischen Köpfe nehmen, sondern auch die gesetzlichen
Grundlagen für die Schaltung der Inserate neu gestalten. Damit
zB. das Revolverblatt aufhört, einen Revolver einzusetzen,
die Drohung, etwas Unangenehmes zu verbreiten.
© M.Luksan, Oktober 2017
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