Die Unterhaltungs - Nachricht taucht überall und massenhaft
auf und will im Gehirn gespeichert sein. Die Unterhaltung hat
- im besten Fall – den Wert eines guten Witzes. ZB. lässt sich
ein Schlagersänger den Namen seiner Frau über der rechten
Augenbraue ins Gesicht stechen. Oder ein junger Premierminister
turnt auf dem Schreibtisch wie ein Affe. Oder fünfzig tausend
LED Lampen an den Fenstern eines Universitäts – Hochhauses
werden eingeschaltet, damit man dort ein bescheidenes
Computerspiel öffentlich spielen kann. Oder man sieht und liest
von einem Pferd, das in eine Schlucht gestürzt ist und durch
einen Spezialkran gerettet wird.
Diese Nachrichten sind gratis, man muss sie nicht kaufen, wie
eine Dose Red Bull, allerdings üben sie einen Zwang aus, wie
eben der gute Witz. Man ist gezwungen über eine Tätowierung
an der Schläfe nachzudenken. Oder man wird dahin gebracht, den
Auftrittsstil eines Politikers komisch zu finden. Die Medien hätten
auch ernsthafte Information an Stelle des Infotainments
bringen können. ZB. die Mitteilung, dass Justin Trudeau derzeit
erhebliche Probleme hat, die ihm der amerikanische Präsident
geschaffen hat. Oder dass jene amerikanische Region, in der das
Pferd seinen Unfall hatte, durch Bodenerosion geschädigt ist.
Aber der Boulevard teilt bei den Namen und Ereignissen, die
er täglich vermittelt, nur selten das Wichtige und das Relevante
mit. Er sucht und betont lieber das Unterhaltsame einer
Nachricht. Unterhaltsam sind jene Informationen, die der Empfänger
gerne weitererzählt.
Sieht man von den Hauptnachrichten ab, arbeitet der Boulevard
eifrig an der Ausbreitung der Spaßkultur. Durch die Nachrichten
vom Neuen, vom Sensationellen, vom Spaßigen werden die Realitäten
surrealisiert. Und verzerrt. Der Konsument der Nachrichten
könnte zB. glauben, dass der Wahn eines jungen Mannes, wie die
Plastikfigur „Ken“ auszusehen, auch andere junge Männer
schon befallen hat. Oder er könnte glauben, dass die Reise des
Papstes zu den Arabern für die Weltlage irgendeine Bedeutung
hat. Oder er könnte zu der irrigen Meinung gelangen, dass
Plastikhufe bei den Fiakerpferden die Eisenbeschläge irgendwann
ersetzen werden. All das trifft nicht zu und Nachrichten wie diese
werden bald gelöscht und gänzlich vergessen sein.
In der Fülle der bedeutungslosen Nachrichten bietet der
Boulevard aber auch relevante Informationen an, solche die
von einem Trend künden. ZB. der Einzelne nimmt sich zu
wichtig und will die Allgemeinheit für sein Wohl zahlen lassen.
Ein Besucher einer Burg springt von einem Mäuerchen
herunter, verknackst sich den Knöchel und verklagt das
Land Kärnten auf Schadenersatz. Oder: die in der
Öffentlichkeit schamlos gewordene Lust verträgt sich nicht
mit dem Streben nach Bequemlichkeit und Sicherheit. In einer
U-Bahn-Station wird öffentlich kopuliert, wobei das Paar
den Zugang zu den Rolltreppen behindert. Die Verletzung
fremder Gefühle regt fast niemanden auf, aber verboten
werden solche und ähnliche Aktionen doch, weil sie die
Bewegungsfreiheit anderer Personen beeinträchtigen.
Die Medien haben hier keine eigene Meinung, sie schließen
sich der Meinung der Behörden an. Sie wollen den Konsumenten
nicht zeigen, dass solche Sachverhalte konkrete Beispiele für
allgemeine Regeln sind. Sie wollen bei Trends, die schon laufen,
keine Stellungnahme beziehen respektive eine Kritik, die
Orientierung bietet, nicht üben.
Freiwilliges Alleinsein oder Einsamkeit? Ein bloßes Foto
gibt darauf keine Antwort. Sabine Azema, privat 1985
Der Sinn von Unterhaltung ist Ablenkung, das was man früher
vom Kino gesagt hat, dass der Kinobesucher im dunklen Saal
seine Not und seine Alltagssorgen vergisst. Diese Weglenkung
vom Wichtigen oder Wichtigeren geschieht bei den
Unterhaltungs – Nachrichten, die ja nur Texte und illustrative
Bilder sind, anders als seinerzeit im Kino. Dennoch wird
jene Ablenkung generell gemacht und man gibt ihr in den
Zeitungen, im Fernsehen und im Internet einen immer größeren
Raum. Wollte man ihr, wie überhaupt der gesamten
Spaßkultur (Werbung, Performance) ausweichen, so könnte
man das nicht durch eine bloße Einschränkung der verwendeten
Medien tun. Man müsste auch eine sog. Sozial – Askese
üben, die sozialen Kontakte einschränken, in denen ungünstige
Beziehungen und schlechte Gespräche vorkommen, damit man
nicht täglich gezwungen ist, über das Unwichtige ausführlich zu
reden. Der ideale und theoretische Zustand, in den sich hier
der Einzelne versetzen müsste, ist das freiwillige Allein- und
Einsamsein des Mönchs. Der Einzelne müsste das
Wechselseitige des menschlichen Verhaltens weitgehend
beenden, seine Gestalt vom Gesehenwerden und sein Ich vom
Rollenspiel weitgehend befreien, um zu der gewünschten
Selbsterkenntnis und inneren Ruhe zu gelangen.
Man denkt das Wichtige und das Unwichtige mit der gleichen
Intensität. Erst durch Analyse im Nachhinein erkennt man den
Wert eines Gedankens respektive die vergebliche Mühe. Der
Normalverbraucher kann sich dafür gar nicht die Zeit nehmen.
Er hat für die Berufsarbeit, aber auch für das Sozialkapital
so viel gedanklichen Aufwand pro Tag, dass er durch die
allgegenwärtige und aufgedrängte Ablenkung leicht gesättigt
wird. Mehr kann sein Hirn an einem Tag nicht leisten. Die
Bildung und das freie Nachdenken sind dann seine Spielwiese
für die Feiertage. Nur die approbierten und die nicht-approbierten
Intellektuellen geben sich ständig dem Spiel des Intellekts
und des Geistes hin. Der Rest der Bevölkerung speichert,
ruft ab und vernetzt neu auf gehabten Pfaden. Er verwendet
die Sprache und das Denken nach Regeln, gegen die er
nicht verstößt. Aus diesem Grund ist die Verschulung der
akademischen Jugend für die Zwecke der Wirtschaft ein
wahres Übel. Denn wenn die Lehrstoffe und die Studienabläufe
überall restriktiv verändert werden und anschließend die
Absolventen unzählige Bewerbungen durchführen müssen,
um eine bescheidene Anstellung zu finden, werden die Gehirne
der Kommenden schlecht strukturiert sein. Und die Seelen
werden eingeschüchtert sein.
© M.Luksan, Februar 2019
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