„Franz Schuh trifft Andre Heller“ in Ö 1 und herauskam eine
komische Doppel – Conference, bei der die beiden vage Sachverhalte
wie das „Wesen von Wien“ und „Was ist ein Mensch?“ flockig
kommentierten. Zwei Interviews, in denen der eine den andern
bohrend befragte, oder zwei gebaute Porträts, die einem Schuh
und Heller auch von außen zeigten, gab es nicht. Stattdessen,
wie gesagt, nur eine Conference des Eigenen, die man auch eine
„Doppel PR“ nennen könnte, weil sich die beiden Persönlichkeiten
selber präsentierten und dabei ihre gegenseitige Hochachtung
betonten. Schuh: „,dass ich am Ende meines Lebens auch
einmal Sie habe treffen können“, Heller: „bin sehr dankbar
dafür, dass ich mit Ihnen sprechen darf.“
An sich steht der ORF in einer Tradition des Porträts, das er
oft in einer Nachrichtensendung gut platziert. Und auch das
Interview – Format von Kerbler/Schmidtkunz will mehr sein
als der bloße Raum für das In - Szene – Setzen einer Person.
Die raunzige Jubelsendung von Schuh und Heller warf aber
nur Licht, keinen Schatten, und sie war auch kein echtes
Interview, wo der Fragende ein Informationsziel haben
muss, vor allem wenn der Gast eine Philosophie vertritt.
Stattdessen durften die beiden „Ausnahmekünstler“ (so werden
sie von Journalisten genannt) über die Künstlermentalität
in Wien, über die Wiener Kaffeehäuser und über Aspekte ihrer
Sozialisation ziellos nachdenken.
„Schuh trifft Heller“ war aber auch kein Format, durch das
das Medium sich selber hätte ironisieren können. Es
war frei von Ironie. Trotz der vielen Formulierungspointen.
Von den besagten Selbstdarstellungen lässt sich eines
gewiss nicht sagen, dass die Sendung das benutzte Medium
(Radio) vorgeführt und dessen Peinlichkeit entblößt hätte.
Die Sendung „Nette Leit Show“ des Hermes Phettberg (und des
Kurt Palm) hat diesen Effekt aber bewirkt und hat aus diesem
Grund ein neues TV – Format sogar angestoßen. Durch
Kreativität und Widerstandsgeist im Außenseiter – Milieu
geboren, entstand diese Show auf der Bühne eines ehemaligen
KPÖ - Speisesaales in Wien – Brigittenau.
Das zum Porträt hin neigende Interview wurde hier in der Tat
krass parodiert. Dies geschah durch einen „150 kg schweren
Schwulen mit Hang zum Sadomasochismus“ (K. Palm, Vorort, In:
Via Dolorosa, Hg. Clemens K. Stepina, Wien 2020). Gemeint ist
Hermes Phettberg (Josef Fenz), den der ORF durch Übertragung
und Produktion in eine große Öffentlichkeit hinein hob und
dadurch schlagartig bekannt machte. Er war dieser schlimm
aussehende Mann im braunen Anzug, der sich ständig lange
Locken aus dem Gesicht strich, sich die eigene Hand begütigend
auf die Brust legte und mit klarer Stimme halb direkt, halb
akademisch seine lockeren und semi-lockeren Gesprächspartner
mit Fragen traktierte. Laut seiner Anhänger hat die Welt
„seinen Intellekt, seinen Witz, seine brillante Rhetorik“ geliebt,
doch in Wahrheit genossen die Zuschauer die Anarchie
respektive die Anstachelung zur Schadenfreude durch diese
Sendung. Sie freuten sich, wie K. Palm sinngemäß schreibt,
dass einmal nicht die Schönen, die Starken und die Tüchtigen
im Fernsehen was Gutes sagten (K.P., a.a.O.)
Die Eleganz der Darstellung im Fernsehen wurde schon in den
1970ern beklagt. Dass der Zuschauer auf eine Art und
Weise, die ihn eigentlich beleidigen müsste, nur elegante
Leute und elegante Spiele zum Anschauen bekommt (Klage
von M. Walser). In den 1980ern kam die Kritik am Werbesprech
hinzu. Die Moderatoren und Kommentatoren formulierten nur
gestanzte und bildhafte Sätze, wodurch es im TV bunter und
unterhaltsamer zuging und der Metaphern – Nebel richtig dick
wurde (Klage von N. Postman). Die Sendung von Phettberg
(Mitte der 1990 er) war das Gegengift gegen diese Tendenzen,
denn hier war die Gestalt weder elegant noch war die Rede
frei von Begriffen. Die Kronen Zeitung beklagte außerdem
bestimmte Außenseiter – Aspekte, die sie „grindig“ und „abseitig“
nannte; und der nicht mehr ganz starke Hans Dichand
wollte allen Ernstes die Entlassung von Regisseur Kurt Palm
durch eine Intervention im ORF herbeiführen.
Keine echte Selbstkritik (schwer), keine Selbstironie (leicht), zu
wenig verschiedene Aspekte bei der Betrachtung des Sachverhalts,
keine bohrenden (geschlossenen) Fragen, die Gestalter der
Sendung stellen sich selber vor, wobei ihnen Hölzer geworfen
werden. Unter solchen Bedingungen müssen die Interviewten
nichts Falsches sagen und sie können gut formulieren, ohne
dass die höhere Peinlichkeit nicht entsteht. Durch die
Eingeschränktheit der Fragen und durch die Ich – Versponnenheit
der Antworten kommt die Peinlichkeit zustande. Der ORF
hat offenbar Formate der Privatsender vor Augen, in denen
sich weithin gelobte Promis selber präsentieren. Er schielt
überhaupt seit langem zum Kommerz hin, als hätte er die
Rundfunkgebühr schon verloren (das product placement, die
Werbeeinschaltungen, die Reality Show und eben auch
diese unkritischen Formate).
Lorenz Helfer, interessanter,
gegenständlicher Maler
Es gibt aber noch was Ärgeres als ein bloß eitles Gespräch
mit eingeschränkten Themen, und das ist die Werkbesprechung
via Porträt und Interview. So geschehen in Ö 1 in einer
Sendung von Sophie Menasse über das Lyrik-Buch
von Michael Köhlmeier und dessen Illustrierung durch den
Sohn Lorenz Helfer, unter Einschaltung von Monika Helfer,
der Gattin von Köhlmeier. Hier hat eine Familie eine Sendung
lang ein Buch, für das es in „Ex Libris“ nicht mehr als drei
Minuten Rezension geben würde, sowie die Miniaturen sowie
die eigene Kreativität, die von Vater, Mutter und Kind,
scheinbar unschuldig präsentiert. Dabei sind auch hier die
Genannten ehrenwerte Leute (Könner), doch darum
geht es nicht. Es geht um PR – Werbung hinter der
Information. Und dadurch, dass es im Großen Rundfunk
nicht wie früher einen Redakteur, einen Abteilungsleiter,
einen Direktor gibt, der sagte: Bitte nicht! Das ist versteckte
Werbung!
© M.Luksan, März 2022
|