Manfred Stangl, Pappelblatt, Heft 21, 2020
"Der Fotosammler"
Wohltuend fällt gleich einmal auf, dass wir nicht schon wieder einen
Krimi vorliegen haben, wo es zurzeit scheint, man dürfe nur innerhalb
der engen Grenzen dieses Genres grasen, um überhaupt öffentlich
wahrgenommen zu werden. Dabei entbehrt dem Buch keineswegs
die Spannung. Luksans Fantasien (mit diesem Wort ist das Buch ja
untertitelt) erzeugen immer wieder diverse Spannungsbögen -
ob es um Aufstände in exotischen Ländern geht, oder das Einhandsegeln
inmitten stürmischer Ozeane.
Die Erzählfigur betrachtet Fotos, und leitet Geschichten aus dem
Dargestellten ab. Lässt seine Fantasie schweifen, entwirft Mögliches,
das von der geschichtlichen Kenntnis gespeist ist, vielleicht
aufgrund der Konzentration des „Beobachteten“ wuchtiger einwirkt
als langatmige Dokumentationen. Speziell die NS – Zeit kommentiert
Luksan auf seine Weise eindringlich und anhand einiger Protagonisten
der Fotomotive gar schauderhaft.
Dennoch, oder gerade, weil Luksan eine sinnliche, poetische Sprache
besitzt, kommen die Bilder des Geschehens bzw. der Fantasie
sehr nahe. An manchen Stellen möchte man sagen, Luksan hat eine
Sprache, die sieht. Ob es Gesten der Menschen sind, ihre
Gesichter, ihr Habitus: Luksan versteht, so präzise zu schildern,
dass die Sprachen so etwas wie einen Qualitätssprung der Sinne
erfährt: ihre Augen öffnen sich. Bzw. es ist unser Blick, der durch
seine präzisen Sätze schärfer gestellt wird.
Vielleicht liegt eine kleine Schwäche in der Fokussierung auf
Fantasien, dass diese, wie für Fantasien üblich, sich manchmal
etwas verflüchtigen, sich verirren.
Seine Fantasien sind keineswegs dergestalt zu verstehen, dass
Surreales oder Abstruses wichtigmacherisch daher stiefelt. Eher
wird die Kraft der Fantasie in diesem Büchlein gewürdigt.
Man kann gespannt auf Weiteres des Autors sein.
| | Der Fotosammler Fantasien | Martin Luksan
Edition Keiper, Graz 2017. S.85-92. |
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